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Depesche aus dem Jenseits

Depesche aus dem Jenseits

Titel: Depesche aus dem Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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Richter! Ich habe meine Frühstücksbrote in das Papier gewickelt zum Beispiel, oder sie zu Hause als Klopapier benützt. So ein dünnes Durchschlagpapier eignet sich gut. Ich habe auch den Beamten im Rathaus viel Papier geschenkt — dort putze ich ja auch. Und die haben nie genug Blöcke zum Schreiben. Dort wird kein Blatt verschwendet. Ja, dann habe ich meinem Bruder einen Teil gegeben. Er ist Drogist, und meine Cousine, die hat ein kleines Kurzwarengeschäft. Mit dem dünnen Papier ist sie sehr zufrieden und die Kundinnen auch.«
    In den Zeugenstand tritt nun Oberleutnant Bujard: »Die Angeklagte sagt die Wahrheit, Herr Oberst. Im ganzen Viertel von Montreuil, wo Madame Rognon wohnt, sind die Dokumente des Ministeriums in jedermanns Händen hin und her gewandert. Man kaufte drei Knöpfe bei der Cousine und als kleine Aufmerksamkeit bekam man dazu gratis eine geheime Information über den Beschluß der US-Army, fünf Divisionen aus West-Berlin abzuziehen! Einige Naphtalin-Kügelchen bei dem Drogisten, und schon erfuhr der Kunde, daß der Brigadegeneral soundso wegen seiner zweideutigen Freundschaften versetzt wurde. Ja, auch im Rathaus ist man dank Madame Rognon bestens über die Aktivitäten der Staatsverteidigung informiert. Die Angestellten dort benützen unsere Geheimakten sozusagen als Schmierpapier. Sie malen Männchen darauf, während sie telefonieren, und auf der Rückseite steht schwarz auf weiß, wie die neuen Radaranlagen der NATO im Mittelmeerraum eingesetzt werden, oder wie die französische Geheimpolizei in Indochina gegen die Rebellen vorgeht.«
    »Das genügt!« Die Jury, der Richter, der Staatsanwalt und die Beisitzer — alle können sich das Lachen nicht mehr länger verbeißen! Nur Colonel Hatz kann beim besten Willen nichts Komisches an der Angelegenheit finden und versucht, Madame Rognon noch einmal in die Zange zu nehmen:
    »Aber, ich bitte Sie! Sie wußten doch genau, wie vertraulich einige Dokumente waren!«
    »Nein! Sie können gar nicht so vertraulich sein! Sie wurden ja alle mit der Schreibmaschine getippt.«
    »Ja, und? Ich verstehe Sie nicht, tut mir leid.«
    »Es ist doch klar! Wenn die so geheim gewesen wären, dann hätte man sie mit der Hand geschrieben. Man läßt doch bestimmt nicht irgendeine Mamsell Staatsgeheimnisse tippen, oder?«
    »Man braucht Kopien von den Dokumenten!«
    »Wenn es viele Kopien gibt, dann sind es keine Geheimnisse mehr! Außerdem, wenn diese Berichte so wichtig und vertraulich waren, warum hat man sie dann nicht in einem Panzerschrank aufbewahrt? Übrigens, ich verstehe die ganze Aufregung nicht. Was ich mitgenommen habe, hat Frankreich doch nicht geschadet, oder sind wir jetzt durch meine Schuld in Gefahr? Ihre komischen Geheimnisse interessieren niemanden! Weder im Rathaus, noch die Kunden von meinem Bruder und meiner Cousine! Kein Mensch hat sie gelesen! Ich auch nicht! Nicht einmal auf dem Klo!«
     
    Das Militärgericht mußte einsehen, daß Madame Rognon nicht ganz unrecht hatte, und sie wurde vom Verdacht der Agententätigkeit freigesprochen. Aber mit diesem Urteil war die Sache noch lange nicht aus der Welt! Der Putzfrau drohte jetzt eine Zivilstrafe und sie mußte sich vor der Strafkammer rechtfertigen. Denn immerhin hatte sie dreihundert Kilogramm Durchschlagpapier gestohlen. Das ist keine Bagatelle! Also wurde sie verurteilt: zwei Monate Freiheitsstrafe mit Bewährung — und 6000 Francs Geldstrafe — ein kleines Vermögen für eine Putzfrau. Ein Wucherpreis für abgelegtes Papier. Gott sei Dank haben Journalisten manchmal ein Herz für die kleinen Leute. Für Madame Rognon wurde eine Sammelaktion veranstaltet. Danach brauchte sie nicht mehr im Kriegsministerium putzen. Es hatte sich also für sie doch gelohnt, ihre Nase in die Staatsgeheimnisse zu stecken!
     

Fröhlich, tapfer und munter
     
    Malcolm Arnold läuft in seinem Wohnzimmer auf und ab, wie ein Löwe im Käfig. Grimmig, verbiestert und völlig am Ende. Was zu viel ist, ist zu viel! Noch eine einzige Fanfare und er geht in die Luft!
    Nein, es sind nicht seine Nachbarn, die zu laut feiern — er ist es selber. Und es ist wirklich ein Wunder, daß alle im Haus so viel Geduld und Verständnis aufbringen. Er hätte schon längst an die Decke gehämmert oder Sturm geklingelt: Seit vollen drei Tagen — und eigentlich müßte man die Nächte zum größten Teil auch dazurechnen — hört er ununterbrochen Militärmärsche an! Für die zartbesaiteten Ohren des Komponisten Malcolm Arnold

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