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Depesche aus dem Jenseits

Depesche aus dem Jenseits

Titel: Depesche aus dem Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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sich zweimal in der Woche im »Institut für Wissenschaften« melden und immer wieder neue Tests und Experimente über sich ergehen lassen. Das ist der Preis, den die Familie für ihr neues, sorgloses Leben zahlen muß.
    Als Professor Linarow Iwans Eltern in Leningrad besuchte, hatte er erklärt:
    »Ihr Sohn verfügt über ganz erstaunliche, ungewöhnliche Talente. Es liegt im Interesse der Wissenschaft und der Sowjetunion — übrigens auch für Sie wäre es von Vorteil — , daß wir seine verblüffenden Begabungen auf die Probe stellen und gründlich untersuchen. Der Fall dieses Kindes ist von höchster Bedeutung für die Forschung. Kommen Sie nach Moskau! Sie werden es nicht bereuen!«
     
    Bis jetzt haben sie es auch nicht bereut. Seit vier Monaten leben sie in Moskau, und seit vier Monaten grübelt ein Team von Wissenschaftlern über die unerklärlichen mentalen Kräfte des elfjährigen Jungen. Er hält spielend den härtesten Prüfungen stand und löst jede Aufgabe, die ihm gestellt wird. Ein Rätsel das Ganze. Alle Experten sind am Ende ihres Lateins! Schließlich verfaßt das Institut einen vertraulichen Bericht und schickt ihn an den Obersten Sowjet:
    »Die Wissenschaft ist außerstande, die paranormalen Phänomene in dem Fall des jungen Iwan Gregorjewitsch Tarkowski zu erklären. Das Kind schafft es, allein durch seine mentalen Kräfte, Macht über elektronische Apparate auszuüben, insbesondere über Radar, Computer und äußerst komplizierte Meß- und Kontrollinstrumente aller Art. Bei den Experimenten, die wir mit ihm durchgeführt haben, konnte er Flugzeuge umleiten und Navigationsgeräte stören. Das Erstaunlichste dabei ist, daß die Entfernung für ihn keine Rolle spielt. Er ist auch in der Lage, natürliche, von der Technik unkontrollierte Phänomene zu beeinflussen — wie die Normalisierung der Herzfrequenz der Großmutter beweist.«
    Und der Bericht endet mit folgendem schwerwiegenden Satz:
    »Nicht auszudenken, welche Dienste dieses Kind der Sowjetunion leisten könnte!«
    Die Familie weiß selbstverständlich nichts von alledem und genießt die Privilegien, die ihr Iwans Kräfte beschert haben. Nur Babuschka macht sich langsam Sorgen.
    »Der Bub sieht sehr müde aus, sehr abgespannt. Ich fürchte, daß diese ganzen Experimente ihn zu sehr belasten. Er braucht Ferien, am Schwarzen Meer vielleicht. Dort könnte er sich ein bißchen erholen! Gregori, du solltest mit Professor Linarow darüber reden.«
    Und noch etwas beunruhigt die gute, alte Frau: Sie versteht nicht, warum das »Institut« der Familie strengstens verboten hat, mit irgend jemandem über den Fall von Iwan zu reden. Ja, man hat ihnen sogar gedroht, damit sie den Mund halten! Warum nur? Tag für Tag versucht die Großmutter ihren Sohn davon zu überzeugen, zum Wohl des Kindes auf das schöne Leben zu verzichten und nach Leningrad zurückzukehren. Aber Gregori will davon nichts wissen:
    »Du siehst alles viel zu schwarz! Diese Männer, die sich um Iwan kümmern, sind Wissenschaftler. Sie wissen genau, was sie tun. Außerdem, es scheint dem Jungen doch Spaß zu machen, mit ihnen zusammen zu arbeiten!«
    Babuschka schweigt wieder, aber es ist wahr: Iwan ist kein fröhliches Kind mehr. Er ist sehr ernst geworden, verschlossen und seltsam abwesend.
     
    Die Monate gehen ohne sonderliche Vorkommnisse vorüber bis zum 14. Mai 1983. An diesem Tag besucht Professor Linarow erneut die Familie:
    »Wir müssen einige Tage mit Iwan verreisen. Machen Sie sich keine Sorgen deswegen. Er ist bald zurück!«
    Am nächsten Morgen fliegt der Junge mit einer Sondermaschine zum Raumfahrtzentrum »Kosmodrom« bei Baikonour.
    In Moskau ahnt Babuschka nichts Gutes. Ihre Kräfte lassen nach, und zum erstenmal seit sie Leningrad verlassen hat, bleibt sie — krank vor Angst um ihren Enkel — im Bett liegen. Es ist zu viel Aufregung für ihr altes Herz. Währenddessen versucht Oberst Tchewenko in Baikonour Iwan ein wenig aufzumuntern. Er spielt sogar Fußball mit ihm im Hof der streng abgeriegelten, geheimen Militärbasis. Aber, wie gesagt, Iwan ist kein lustiger, netter Kobold mehr — und es gibt jetzt Wichtigeres für ihn, als draußen zu toben. Er weiß zwar nicht, was man von ihm hier erwartet, aber das Ganze ist kein Spiel mehr. Das spürt er — und es macht ihm Angst. Außerdem ist es das erste Mal, daß er weit weg von seiner Familie ist, weit weg von Babuschka.
    Professor Linarow, der seit Monaten das Kind »betreut« und immer überall begleitet,

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