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Depesche aus dem Jenseits

Depesche aus dem Jenseits

Titel: Depesche aus dem Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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erscheint im Hof:
    »Komm, Iwan! Genug gespielt! Jetzt wird es ernst! Ein neues Experiment wartet auf dich, und du mußt es schaffen!«
    Der mittlerweile zwölfjährige Junge folgt dem Professor gehorsam durch unendliche Gänge, bis sie einen riesigen Raum betreten — das Herz des Raumfahrtzentrums. Alle
    Informationen und Daten, die die sowjetischen Spionage-Satelliten rund um die Erde sammeln, werden hier eingespeichert und auf den unzähligen kleinen Monitoren aufgezeichnet. Iwan verschlägt es den Atem. Hier, in diesem unheimlichen Raum, wird die gesamte westliche Luftfahrt überwacht!
    »Setz dich vor diesen Bildschirm und konzentriere dich. Du bist gleich dran!«
     
    In diesem Augenblick ist es acht Uhr auf dem Luftstützpunkt Clenston, in den USA. Captain John Fleeton, Testflieger bei der U. S. Air Force, klettert in seine neue F 27 — den Prototyp eines Kampfflugzeugs, ein Meisterwerk der Elektronik. Acht Uhr dreißig: Ronald Mac Goven sitzt gespannt mit der Lotsen-Mannschaft im Tower und gibt die Starterlaubnis. Wenige Sekunden später verschwindet die F27 wie eine Rakete in den amerikanischen Himmel.
    Ein kleiner weißer Punkt erscheint auf dem Bildschirm vor Iwan in Baikonour.
    »Iwan, siehst du diesen Punkt da, der sich langsam bewegt?«
    »Ja, Herr Professor...«
    »Du mußt es schaffen, ihn anzuhalten! Wenn du es schaffst, haben wir eine Überraschung für dich! Du darfst mit deiner Familie zum Schwarzen Meer fahren und wochenlang dort Ferien machen. Na, was meinst du?«
    »Toll! Ach, das kriege ich schon hin, kein Problem, Herr Professor!«
    »Dann mach schon!«
    Iwan konzentriert sich und starrt auf den winzigen Punkt, wie damals in der Leningrader Klinik, als Babuschka so krank war. Ferien mit Babuschka! Das war schon immer ihr Traum, einmal im Leben zum Schwarzen Meer zu fahren!
    Der kleine Punkt läuft ganz langsam, ganz regelmäßig. »Iwan! Konzentriere dich! Du hast nicht viel Zeit!«
    »Ja, Herr Professor, ja, ich schaffs schon!«
    Der Junge starrt auf das Pünktchen — und alle im Raum starren auf ihn. Alle warten skeptisch auf das angekündigte Wunder, doch im Augenblick sehen sie nur, wie der Punkt läuft und läuft.
    Endlich beginnt Iwan zu sprechen, leise vor sich hin, mit dieser seltsamen tiefen, festen Stimme:
    »Du mußt langsamer werden! Ich will es! Langsamer! Noch langsamer!«
     
    Im Tower von Clenston brüllt Ronald Mac Goven: »John?! Was ist los? Halte die Geschwindigkeit konstant!«
    »Ich versuch’s ja! Was glaubst du denn? Ich sitz’ in der Kiste!«
    Die neue F 27 verliert immer mehr an Höhe und Geschwindigkeit! Also doch ein Konstruktionsfehler? Der Pilot bemüht sich buchstäblich, alle Hebel in Bewegung zu setzen, aber vergeblich. Sie sind alle blockiert! »Verdammt, John! Tu endlich was! Schalte die Automatik aus!«
    »Es geht nicht! Hier ist die Hölle los! Ich kann nichts tun, die Bordinstrumente sind alle hin!«
    »Spring sofort ab! Zum Teufel mit der Kiste! Spring ab, John!«
    »Ronald! Der Schleudersitz klemmt! Es ist aus!...«
    Im Tower von Clenston herrscht Totenstille. In Baikonour auch. Der kleine Punkt bewegt sich kaum noch. Noch wenige Sekunden, und der Prototyp F 27 wird mit seinem Testpilot John Fleeton abstürzen.
    Genau um diese Zeit flitzt ein Krankenwagen durch die Moskauer Straßen. Babuschka liegt ohnmächtig darin, ihr Herz schlägt rasend, aber nicht mehr lange. Noch auf dem Weg zur Klinik stirbt die alte Frau.
    In diesem Augenblick zuckt Iwan in Baikonour vor dem Bildschirm zusammen. Er ist erschöpft und zittert. Schweißgebadet und verzweifelt schaut er den Professor an:
    »Komm, Iwan, mach weiter! Du hast es fast geschafft! Weiter!«
    »Ich — ich kann nicht, Herr Professor, es geht nicht, es geht nicht mehr.«
    Mit einem Schlag hat der Junge seine rätselhafte Kraft verloren. Und auf dem Monitor bewegt sich der kleine Punkt wieder schneller und regelmäßig. Drei Minuten später landet John Fleeton mit seiner Maschine heil in Clenston.
     
    Wochenlang haben die Techniker die F 27 auseinandergenommen und jeden kleinsten Teil akribisch durchgecheckt. Alles war in bester Ordnung. Nicht der geringste Konstruktionsfehler konnte festgestellt werden. Beim zweiten Testflug ging auch alles glatt.
    Im Sommer 1983 reisen Iwan und seine Eltern nach Leningrad zurück. Zurück in die halb verfallene Holzhütte am Rande der Stadt. In der Zwischenzeit waren die Stadtplaner leider sehr aktiv, und der Blick zum Himmel war für immer verbaut. Ein Glück,

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