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Depesche aus dem Jenseits

Depesche aus dem Jenseits

Titel: Depesche aus dem Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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nicht zurück — und man hat nie wieder etwas von ihm gehört.«
    »Ist das alles?«
    »Ja. Die Familie hat jahrelang nach ihm suchen lassen, leider vergeblich.«
    »Haben Sie vielleicht eine Photographie von ihm?«
    »Nein, Inspektor, damals war es nicht so üblich wie heute. Wir hatten ein Ölbild von ihm.«
    »Und wie war er darauf gekleidet?«
    »Soweit ich mich erinnere, ja... genauso wie Sie es vorhin beschrieben haben. Besonders an die Hose mit den schwarz-weißen Karos, und auch an die Stiefelchen mit den Silberschnallen kann ich mich gut erinnern!« Zusammen mit dem Chef der Vermißtenabteilung wühlt Inspektor Fergusson tagelang in den riesigen Archiven der New Yorker Polizei, bis er eine vollständige Liste aller Personen zusammen hat, die im Laufe des Jahres 1886 verschollen sind. Und er findet, was er sucht: nicht nur den Namen »Rudolph Fentz«, sondern auch eine genaue Beschreibung des Mannes, wie seine Familie ihn damals geschildert hat: »29 Jahre alt, enganliegende Hose mit schwarz-weiß kariertem Muster, Gehrock, im Rücken geknöpft, Zylinder und Stiefelchen mit Silberschnallen.
    Was soll nun Inspektor Fergusson in seinen Abschlußbericht schreiben? Etwa: »Rudolph Fentz, 29 Jahre alt, 1886 vermißt gemeldet — wiederaufgetaucht 1950 in New York, etwa 30 Jahre alt, bei einem Verkehrsunfall umgekommen«? Einfach verrückt! Der Polizist hat nämlich nichts übrig für Übernatürliches, für sogenannte »Zeitreisen« und »gekrümmten Raum«. Sein Beruf erlaubt es ihm auch nicht, sich in diesen höheren Sphären aufzuhalten. Er muß auf dem Boden der Tatsache bleiben! Aber wie, wenn die Tatbestände jeglicher Vernunft hohnlachen?
    Also forscht er weiter nach und schaltet alle erdenklichen Stellen ein, auch INTERPOL, und verlangt jetzt eine Liste aller Personen, die im Laufe des Monats Juni 1950 auf dem gesamten nordamerikanischen Kontinent vermißt gemeldet wurden. Abends nach dem Dienst studiert er jede Akte, die auf seinem Schreibtisch landet. Egal woher sie kommt! Es muß eine logische Erklärung geben. Und er wird keine Ruhe geben, bis er sie findet.
    Eines Tages bekommt er einen Hinweis aus Montreal. Dort, in Kanada, sucht man seit Juni einen jungen Schauspieler — 33 Jahre alt. Er wollte schon immer sein Glück in New York versuchen, aber niemand weiß, ob er jemals dorthin gefahren ist. Jetzt geht alles ganz schnell. Einige Anrufe, ein paar Fernschreiber, ein Besuch bei einem alten Kostümverleiher um die Ecke, und der Fall »Rudolph Fentz« ist gelöst.
    Das heißt, nicht ganz. Eine Frage bleibt noch offen — und wird es immer bleiben: Wo ist Rudolph Fentz geblieben — der aus dem Jahr 1886? Untergetaucht? Heute, 1950, pafft vielleicht ein 93jähriger Greis in aller Ruhe immer noch seine Zigarre?
     

Verrückt... sozusagen
     
    Ein Mann steht auf dem Gehsteig und winkt einem Taxi. Der Wagen rollt langsam auf ihn zu und hält an. Der Fahrer kurbelt die Scheibe herunter und fragt brummelnd:
    »Wohin?«
    Der Mann gibt keine Antwort und verzieht keine Miene. Er öffnet die Hintertür, steigt ein, macht es sich auf dem Rücksitz des Taxis bequem und wartet.
    »Wo wollen Sie denn hin?«
    »Das überlasse ich Ihnen.«
    »Wie bitte?«
    »Fahren Sie irgendwohin.«
    »Gerne. Und wo ist das... irgendwo?«
    »Was weiß ich! Überall!«
    »Für Stadtrundfahrten bin ich aber nicht zuständig!«
    »Ich will auch nicht in der Stadt herumgefahren werden, sondern aus der Stadt heraus!«
    »Mit dem Taxi?«
    »Nein! Bringen Sie mich irgendwohin, von wo aus ich die Stadt verlassen kann.«
    »Man kann von überall die Stadt verlassen! Möchten Sie nach Norden, nach Süden, zum Busbahnhof, zum...«
    »Was fragen Sie mich?! Es spielt doch keine Rolle, von wo aus man eine Stadt verläßt! Fahren Sie meinetwegen zum Busbahnhof! Ja, mit dem Bus, warum eigentlich nicht?«
    Der Taxichauffeur mustert seinen seltsamen Fahrgast im Rückspiegel, zuckt schließlich die Achseln und startet: »Gut, also zum Busbahnhof! Wissen Sie, mir ist das ja völlig egal, wohin ich Sie fahre. Hauptsache, Sie wissen es!«
    »Es ist tödlich für den Menschen, immer von vornherein zu wissen, wohin er will.«
    Ein komischer Vogel, dieser Fahrgast! Dabei macht er äußerlich einen ganz normalen, ja eigentlich ausgesprochen guten Eindruck. Er ist etwa fünfundvierzig Jahre alt und wirkt vornehm, sowohl in seiner — zugegeben — etwas merkwürdigen Ausdrucksweise, als auch in seinem Benehmen. Er ist elegant gekleidet, nur die Krawatte

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