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Depesche aus dem Jenseits

Depesche aus dem Jenseits

Titel: Depesche aus dem Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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Kraft ans Lenkrad, fliegt aber trotzdem gefährlich nahe an die Frontscheibe heran und dann wieder brutal nach hinten. Es ist nochmal gutgegangen — zumindest für die beiden Menschen im Wagen. Aber der Schreck sitzt ihnen noch in den Knochen, sie zittern vor Angst, obwohl die Gefahr vorüber ist. Im Rückspiegel sieht die alte Frau das verzerrte Gesicht des Fahrers — entsetzt, aschgrau. Seine Lippen beben, aber er bringt kein Wort heraus. Also legt sie ihre Hand auf seine Schulter, rüttelt ihn ein wenig und stammelt:
    »Was... was ist los? Was ist passiert?!«
    Der Fahrer ist einer Ohnmacht nahe. Nur deshalb sieht er auch so aschgrau aus. Eigentlich ist er pechschwarz — ein schwarzer Taxifahrer — nichts Ungewöhnliches in New York, im Jahre 1950.
    Was ist passiert? Er kann es noch gar nicht fassen, es ging alles blitzschnell. Jetzt kommt er endlich wieder zu sich, steigt langsam aus seinem Taxi und geht schwankend zu der kleinen Gruppe, die sich auf der Straße gebildet hat. Dort liegt der Mann, den er überfahren hat. Er flog mehrere Meter durch die Luft, bevor er auf dem harten Asphalt aufschlug.
    »Ich... ich kann nichts dafür! Haben Sie gesehen! Sie haben’s bestimmt gesehen! Ich konnte nichts machen! Nur bremsen!«
    Niemand achtet auf den völlig verstörten schwarzen Taxifahrer. Alle starren nur ungläubig auf die Gestalt, die jetzt daliegt wie eine zerschlagene Holzpuppe. Der Mann war sicher auf der Stelle tot. Bei dem Aufprall!
    Aus einer klaffenden Wunde am Schädel fließt das Blut in Strömen — ein schrecklicher Anblick. Aber das ist es nicht, was die herumstehenden Menschen so bestürzt.
     
    Als Inspektor Fergusson eine gute Viertelstunde später an der Unfallstelle eintrifft, ist er zunächst verwundert. Wegen eines tödlich überfahrenen Mannes bricht doch nicht so ein unbeschreibliches Chaos aus! Es muß etwas Schlimmeres passiert sein! Während er sich mühsam einen Weg durch die dicht zusammengedrängte Menge bahnt, legen zwei Sanitäter den toten Mann auf eine Bahre, werfen eine Decke über sein entstelltes Gesicht und heben ihn in den Krankenwagen.
    Ein junger Polizist steht hilflos daneben — mit einem Zylinder in der Hand.
    Sobald er den Inspektor sieht, atmet er erleichtert auf, dann schreit er:
    »Warten Sie! Holen Sie den Toten wieder heraus. Ich möchte, daß der Inspektor ihn sofort genau ansieht!«
    Im Laufe seiner langjährigen Karriere hat Inspektor Fergusson schon so viele Tote gesehen, normalerweise erschüttert ihn das nicht mehr. Bloße Routine. Gleichmütig neigt er sich also über die Tragbahre, zieht die Decke weg — und zuckt zusammen. Jetzt begreift er die ganze Aufregung! Bei dem Toten handelt es sich um einen Mann um die Dreißig: Er ist seltsam gekleidet, trägt enganliegende Hosen mit einem auffällig großen, schwarz-weiß karierten Muster, dazu eine Art Gehrock, am Rücken mit einer Reihe kleiner Knöpfe verziert, und auch das Schuhwerk ist sehr ungewöhnlich — mittelhohe Stiefelchen mit Silberschnallen, museumsreif!
    »Hier ist sein Hut, Herr Inspektor«, sagt der junge Polizist und hält ihm den Zylinder hin.
    »Na ja, schön! Er trägt ein Kostüm! Warum nicht?! Vielleicht ist er Schauspieler, was weiß ich! Hatte er Papiere bei sich?«
    »Ja, schon...«
    Der Taxifahrer sitzt zusammengesunken auf einem Hocker neben dem Krankenwagen. Er zittert immer noch, obwohl die Sanitäter ihm sofort ein Beruhigungsmittel verabreicht haben.
    »Haben Sie den Mann überfahren?«
    »Ja, aber es war nicht meine Schuld, Herr Inspektor! Er stand auf dem Gehweg und ganz plötzlich, da ist er losgelaufen! Direkt auf die Straße! Direkt vor meinen Wagen!«
    Der junge Polizist bestätigt seine Aussage:
    »Es stimmt. Ich hatte den Mann schon eine ganze Weile beobachtet. Mit dieser Kostümierung fiel er ja auf! Er bewegte sich überhaupt nicht. Dann rannte er auf einmal auf die Fahrbahn! Ich habe gepfiffen, aber es war schon zu spät!«
    »Ja, genau so war’s«, erklärt ein junger Mann. »Ich kam mit meiner Freundin gerade aus dem Theater, der Mann ist uns gleich aufgefallen, ja, wir haben ihn sogar ausgelacht, wegen seiner komischen Klamotten! Er stand völlig steif hier an der Ecke, wie eine Schaufensterpuppe! Wir dachten, er zieht irgendeine Schau ab! Er rollte die Augen wie ein Verrückter, starrte auf die Ampel, als hätte er so etwas noch nie gesehen. Wir haben wirklich gelacht, er machte seine Sache sehr gut! So echt, wie im Kino!«
    »Sie waren im Theater, sagen Sie.

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