Depesche aus dem Jenseits
es sich leisten, weiterhin in seiner Wohnung zu bleiben. Nur diese beiden Alten könnten sich also vielleicht noch an Rudolph Fentz erinnern.
Sie sind entzückt und freuen sich, Besuch zu bekommen, und wenn es welcher von der Polizei ist!
»Fentz Junior? Aber ja, Herr Inspektor, ich kannte ihn! Du doch auch, Gladys, nicht wahr?«
»Ja, ich war mit seiner Frau sogar recht gut befreundet.
Es hat uns sehr leid getan, daß Sie New York verlassen haben.«
»Wissen Sie, wohin sie gezogen sind?«
»Nach Florida! Schade. Wir haben uns aus den Augen verloren.«
»Wie alt war Mister Fentz?«
»Ungefähr 60.«
Fergusson rechnet schnell im Kopf nach: etwa 60 im Jahre 1940, also wäre er um das Jahr 1880 geboren. »Haben Sie seinen Vater gekannt?«
»Nein, wir haben ihn nie gesehen, nicht wahr, Gladys?«
»Der Vater? Nein. War er nicht schon lange tot? Ach ja, jetzt weiß ich es wieder! Mrs. Fentz hat ein einziges Mal mit mir über ihren Schwiegervater gesprochen. Er soll vor langer Zeit verschwunden sein. Ja, er war verschollen, glaube ich.«
»Warum sind die Fentz’ von New York weggezogen?«
»Sie wollten schon immer nach Florida, und als Mister Fentz pensioniert wurde, reisten sie unmittelbar danach ab!«
»Wissen Sie auch, wo er gearbeitet hat?«
»Sicher. Gleich um die Ecke, bei der Bank gegenüber!«
»Vielen Dank! Sie waren mir eine große Hilfe!«
Fünf Minuten später sitzt Fergusson vor einem unfreundlichen Bankfilialleiter — einem Wichtigtuer, der keine Zeit hat für einen Inspektor der New Yorker Polizei:
»Ich bitte Sie, wir haben anderes zu tun, als jetzt nachzuprüfen, ob der oder jener vor zehn bis fünfzehn Jahren bei uns gearbeitet hat! Für solche Informationen ist unsere Hauptverwaltung zuständig. Dort finden Sie alle Akten, alles, was Sie brauchen. Viel Glück dabei! Sie entschuldigen, ich werde erwartet!«
Bei der Hauptverwaltung wird Inspektor Fergusson von einem zum anderen geschickt und schließlich landet er bei der Abteilung für »Sozialwesen, Versicherungen und Renten«. Dort findet ein Aktenwurm mit langen, flinken Fingern sofort den gesuchten Namen:
»Fentz. Hier! 1940, Ruhestand. Mehrmals umgezogen, wohnhaft in Florida, 1945 gestorben — Ehefrau lebt aber noch. Bekommt von uns regelmäßig Witwenrente. Wird monatlich überwiesen. Kontonummer, Adresse, Telefonnummer, was brauchen Sie?«
»Alles. Danke.«
Kurz und bündig — nicht gerade freundlich, aber funktioniert ausgezeichnet. Ein Aktenwurm eben.
Am nächsten Abend klingelt das Telefon bei der Witwe Fentz, in Florida.
»Hallo, wer ist am Apparat?«
»Inspektor Fergusson. Spreche ich mit Mrs. Fentz?«
»Ja.«
»Ich bitte um Entschuldigung, daß ich so spät noch störe. Ich rufe aus New York an. Ich bin hier Inspektor bei der Polizei.«
»Polizei! New York? Was kann ich für Sie tun?«
»Ich möchte Sie nur fragen, ob Sie Ihren Schwiegervater gekannt haben.«
»Meinen Schwiegervater? Nein. Warum fragen Sie?«
»Es ist alles recht kompliziert.«
»Trotzdem möchte ich wissen, worum es geht, Herr Inspektor!«
»Also, gestern ist hier in New York ein Mann namens Rudolph Fentz tödlich verunglückt und er war angezogen wie im letzten Jahrhundert!«
»Ich verstehe nicht!«
»Ich auch nicht, Mrs. Fentz! Vielleicht können Sie mir helfen!«
Und der Inspektor erzählt der alten Witwe die ganze Geschichte. Sie hört geduldig zu, ohne ihn zu unterbrechen.
»Mrs. Fentz, sind Sie noch da?«
»Ja, aber ich verstehe kein Wort! Mein Mann ist doch vor fünf Jahren gestorben!«
»Es kann sich auch gar nicht um Ihren Mann handeln, das weiß ich! Er war schon 65 als er starb, und der Rudolph Fentz, der gestern überfahren wurde, war höchstens 30! Deswegen frage ich sie eben, ob Sie Ihren Schwiegervater gekannt haben. Verstehen Sie?«
»Nein! Was spielt das für eine Rolle?«
»Mrs. Fentz, mir ist völlig bewußt, wie merkwürdig Ihnen meine Frage vorkommen muß. Das Ganze ist absurd, ich weiß! Nicht nur für Sie. Wir stehen vor einem unbegreiflichen Rätsel.
Warum haben Sie eigentlich Ihren Schwiegervater nicht gekannt?«
»Weil er verschwunden ist, als mein Mann noch ein Kind war.«
»Wie das? Verschwunden? Nicht gestorben?«
»Das hat die Familie nie aufklären können. Mein Schwiegervater rauchte leidenschaftlich gerne Zigarren, und seine Frau konnte den Geruch auf den Tod nicht leiden. Also ist er jeden Abend nach dem Essen spazieren gegangen, um draußen seine Zigarre zu rauchen. Eines Abends kam er
Weitere Kostenlose Bücher