Depesche aus dem Jenseits
Geheimpolizei — das Werkzeug der Diktatur des Generals Antonescu. Bevor Labalski und Holdorf sich umsehen, sind sie schon mit Handschellen an zwei Polizisten gekettet, die sie in einen Wagen zerren. Der Journalist schreit noch:
»Geh an Bord, Colette, schnell, geh an Bord mit den Kindern!«
Und schon rast der Polizei wagen vom Hafengelände fort. Paul Holdorf zittert am ganzen Leib:
»Labalski, ich habe Angst, ich habe immer Angst! Aber Sie, wenn Sie fliehen können, dann tun Sie es! Kümmern Sie sich nicht um mich! Colette braucht Sie... Versuchen Sie zu fliehen...«
In der Polizeizentrale werden die beiden Verhafteten nicht gerade freundlich empfangen. Der höhere Beamte in Uniform brüllt sie an:
»Endlich! Da haben wir die Dreckskerle, die sich aus dem Staub machen wollten?«
Gregori Labalski, der in seinem Journalistenleben schon allerhand erlebt hat, behält einen kühlen Kopf und trägt sogar eine perfekt gespielte Selbstsicherheit zur Schau: »Ich darf annehmen, daß Sie sich über den Ernst der Lage im klaren sind. Ich bin Journalist und meine Zeitung wird ganz sicherlich über diesen bedauerlichen Zwischenfall berichten... sollte mir oder meinem Freund etwas zustoßen!«
»Wir pfeifen auf Journalisten, wie Sie einer sind! Sie verbreiten nur dreckige Lügen! Sie sind ein Verräter! Ein Schwein, hören Sie!«
Während er die beiden Männer mit unglaublicher Grobheit anbrüllt, setzt er sich gelassen an seinen Schreibtisch, ohne sie anzusehen. Dieses Spiel dauert etwa fünf Minuten. Er tobt wie ein Wahnsinniger, aber tut so, als wäre er allein im Zimmer. Was geht hier bloß vor? Auf einmal drückt er auf einen Knopf, und sofort kommen zwei Riesen herein. Zwei von diesen gefürchteten Staatsdienern, deren Bekanntschaft niemand gerne macht.
Selbst Labalski bekommt bei ihrem Anblick Gänsehaut. Der Polizist brüllt:
»Bringen Sie zwei Stühle und fesseln Sie diese Halunken!«
Gesagt, getan.
»So ist es gut! Raus jetzt! Mit den beiden werd’ ich schon alleine fertig!«
Sobald die beiden Kolosse aus dem Zimmer sind, öffnet der Choleriker eine Schublade, holt ein Zigarettenetui heraus, steht auf und geht zu den Gefesselten. Dann befreit er ihre Hände und bietet ihnen eine Zigarette an.
»Verzeihen Sie mir bitte... ich mußte es tun. Glauben Sie mir, es macht mir keinen Spaß! Aber da draußen müssen sie mich brüllen hören, verstehen Sie? Die Deutschen sind hier wie zu Hause und jetzt müssen Sie davon überzeugt sein, daß ich Sie halb totschlage. Ich habe den Befehl, Sie solange zu quälen, bis Sie Ihre Identität preisgeben. Bis Sie, Herr Labalski, zugeben, daß Sie gegen die Nazis schreiben und Sie, Herr Hol-dorf... nun ja, daß Sie Jude sind. Aber ich werde Ihnen nichts tun — und Sie werden nur so tun als ob! Also schreien Sie! Es muß echt klingen und ich muß Sie schlagen, aber ich passe schon auf.«
Eine halbe Stunde lang hält der behutsame Schläger eine Lobrede auf die rumänische Gastfreundschaft, immer wieder von Ratschlägen und Regieanweisungen unterbrochen:
»Sie kriegen jetzt eine Ohrfeige, würden Sie bitte schreien? Ich muß Ihnen die Zehen zerquetschen, bitte, ziehen Sie Ihre Schuhe und Socken aus und vergessen Sie nicht zu schreien! Herr Holdorf, ich muß Ihre Brille zerschlagen... es tut mir leid. Ein bißchen Blut muß auch sein. An der Nase und an den Lippen tut’s nicht so weh, bitte schreien Sie doch! Lauter! Gut. Ich denke, jetzt reicht’s.«
Der erschöpfte Beamte setzt sich wieder:
»Herr Labalski, Sie sind nicht der Mann, den wir suchen. Sie haben seit einem Jahr keinen Artikel mehr geschrieben, verstanden?«
»Ja. Ich habe verstanden.«
»Und Sie, Herr Holdorf, Sie sind kein Jude... wenigstens nicht solange, bis sie den Hafen verlassen haben. Ist das klar?«
»Ja... ja...«
»Sie werden jetzt zum Hafen zurückgebracht. Das Schiff ist bestimmt noch nicht ausgelaufen. Aber ich lasse Sie von unseren rumänischen Sicherheitsbeamten begleiten. Die Deutschen haben hier ihre eigene Organisation, und wenn ich sie nicht überzeugt habe... ja, dann könnte noch alles Mögliche passieren!«
Wieder drückt er auf den Knopf, wieder erscheinen die beiden Kolosse:
»Er ist nicht unser Mann. Und der Andere ist kein Jude. Sie sollen zum Hafen gebracht werden, und zwar schnell. Die zwei, die wir suchen, sind bestimmt dort! Daß nicht wieder so eine Panne passiert, verstanden! Abtreten!«
Das Schiff liegt noch am Kai. Der Wagen hält mit quietschenden
Weitere Kostenlose Bücher