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Depesche aus dem Jenseits

Depesche aus dem Jenseits

Titel: Depesche aus dem Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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an sein Glück nicht so recht glauben können. Es mußte irgendwann schief gehen — früher oder später.
    Jetzt ist es soweit! Leider haben sie aber zwei Kinder. Was soll nun werden? Und so fragt er ganz ruhig: »Colette?«
    »Ja, Paul?«
    »Kommst du jetzt mit mir nach Hause oder bleibst du hier?«
    »Ich bleibe hier bis 7 Uhr.«
    »Gut, dann bis später.«
    Er nickt höflich, dreht sich um und geht so leise, wie er gekommen ist.
     
    Gregori Labalski — Journalist und Auslandskorrespondent bei der »Daily Herald« — spricht mehrere Sprachen fließend und kennt die halbe Welt.
    Paul Holdorf ist Retuscheur bei einem Schneider.
    Die beiden Männer, die sich unter denkbar ungünstigen Umständen kennenlernten, haben sich gütlich geeinigt: Gregori trifft mehrmals die Woche seine Geliebte Colette, aber sie kommt jeden Abend nach Hause zu ihrem Mann und ihren beiden Kindern zurück, die zwei und fünf Jahre alt sind. Alles scheint in bester Ordnung, sofern man bei einer Ehe zu dritt von Ordnung reden kann!
    Die Wochen gehen dahin, und jeder akzeptiert den Lauf der Dinge so gut er kann. Paul und Gregori sind zwar keine Freunde geworden, doch sie achten sich gegenseitig. Außerdem lieben sie Colette und sind daher zu allem bereit, sie glücklich zu machen. Der Geliebte weiß genau, daß sie niemals ihre Kinder — und auch nicht ihren Mann — verlassen würde. Er weiß aber auch, daß Paul Holdorf, als Jude, in Rumänien immer mehr gefährdet ist. Das Regime schließt sich immer deutlicher den politischen Zielen der Nazis an, und der Antisemitismus verbreitet sich in beängstigender Weise im ganzen Land. Für den bekannten Journalisten besteht noch keine akute Gefahr, aber für den kleinen Juden in der Schneiderei sieht es von Tag zu Tag bedrohlicher aus. Gregori schützt ihn, wo er nur kann — und bis jetzt mit Erfolg.
    Eines Tages bittet Paul Holdorf seinen Rivalen, sich in einem Café zu treffen. Seit der ersten Begegnung haben sich die beiden Männer nicht wiedergesehen.
    »Herr Labalski, Colette hat mir gesagt, daß Sie gegen die Nazis sind, stimmt es?«
    »Ja.«
    »Ich auch! Klar, als Jude! Also folgendes. Da Sie Journalist sind, dachte ich, vielleicht können Sie etwas gegen die Deutschen unternehmen?«
    »Ja. Vielleicht. Aber was denn?«
    »Ich habe einen Freund, der jemanden sehr gut kennt, der über gewisse Dinge bestens informiert ist.«
    »Und wer ist dieser Freund, bitte?«
    »Das kann ich nicht sagen.«
    »Gut. Aber über die gewissen Dinge... wollen Sie mit mir reden, ja?«
    »Ja. Die Deutschen bereiten den Krieg gegen Rußland vor.«
    Gregori Labalski fährt in die Höhe und betrachtet ungläubig diesen unscheinbaren rundlichen Mann mit seinem braunen Schnurrbart, seinen auf dem glänzenden Schädel plattgedrückten Haarsträhnen, dem dicken Bauch und seiner zwar sauberen, aber ärmlichen Bekleidung. Und das, obwohl er bei einem Schneider arbeitet! Nein! Wie könnte man ihn ernst nehmen? Diese Behauptung ist einfach grotesk! Gerüchte, nichts als Gerüchte! »Herr Holdorf, hören Sie mir gut zu! Die Nazis sind zu allem fähig — zugegeben! Aber das geht zu weit! Vergangenen August haben sie noch einen Pakt mit Stalin unterzeichnet. Polen haben sie schon geschluckt und jetzt haben sie mit Frankreich und England alle Hände voll zu tun! Nein, nein, Herr Holdorf, die Nazis sind zwar größenwahnsinnig, aber dumm sind sie nicht! Rußland angreifen? Wo denken Sie hin! Unmöglich!«
    »Ich denke nicht, Herr Labalski. Ich selbst habe überhaupt keine Ahnung. Aber der Freund meines Freundes, der weiß Bescheid. Der kann sich nicht irren. Und er möchte, daß diese Information in Ihrer Zeitung, im englischen »Daily Herald«, veröffentlicht wird. Ich hab’ ihm gesagt, daß Sie mir nicht glauben würden. Da meinte er aber, Sie könnten einiges selber nachprüfen. Zum Beispiel, daß die Deutschen im Balkan intrigieren und der Türkei, Rumänien und auch dem Iran anbieten, ihnen dabei zu helfen, ihre Grenzen zu befestigen.«
    »Das ist mir neu... aber es läßt sich nachprüfen. Stimmt. Sollte es tatsächlich so sein, können Sie sich auf mich verlassen: Ich werde dann Ihre Information im »Daily Herald« veröffentlichen.«
    »Danke, Herr Labalski.«
    »Nichts zu danken. Ich tue nur meine Pflicht als Journalist... und als Exilösterreicher. Die Nazis müssen wir mit allen Mitteln bekämpfen!«
    Paul Holdorf steht auf. Bevor er geht, fragt er noch, so nebenbei:
    »Und... meine Frau?«
    »Ja, Herr Holdorf? Was

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