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Der 13. Brief

Titel: Der 13. Brief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Klassen
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zu. »Du hast ganz gute Chancen, Danner zu überleben. Schließ ab, wenn du gehst, der Schlüssel hängt neben der Tür.«
    Er stapfte hinaus.
    Ich nahm zwei schmuddelige Schürzen, den Schlüssel für die Kneipe und die Tischdecke, auf der Danner die Frühstückskrümel verteilt hatte, und ging nach oben.

7.
    Wenig später klemmten auch alle getragenen Socken, die ich in Danners Wohnung hatte finden können, unter meinem Arm. Danners Kellerschlüssel hatte ich nach einigem Suchen im Badezimmer an der Wäscheleine entdeckt.
    Im Keller beleuchtete eine einzelne Glühbirne die kahlen Betonwände eines schmalen Flures. Vier Türen gingen von ihm ab.
    Bei dem ersten Raum handelte es sich ohne Zweifel um einen Vorratsraum von Molle. Die Regalbretter an den Wänden bogen sich unter unzähligen Konserven und Einmachgläsern. Der zweite Raum war bis unter die Decke gefüllt mit Getränkekisten und Bierfässern.
    Die unbesorgte Leere in Danners Kühlschrank wunderte mich nicht mehr. In diesem Haus gab es mehr Vorräte als im Aldi um die Ecke.
    Hinter der dritten Tür fand ich die Heizung und hinter der vierten Waschmaschine und Trockner. An einer kreuz und quer gespannten Wäscheleine hingen nordische Strickpullis in der Größe von Einmannzelten, Hosen und Schürzen – Molles Kram.
    An der Wand stand ein Bügelbrett. Bewacht wurde es von einer Spinne der Monsterfilmklasse, die – der Dichte ihres Netzes nach zu urteilen – dieses Plätzchen bereits seit Jahren für ihr Eigenheim hielt.
    Ich tauchte unter den Leinen hindurch. Die Waschmaschine war noch voll. Mit spitzen Fingern zog ich eine Unterhose hervor. Der ausgeleierte Bund verriet mir, dass sie ebenfalls Molle gehörte, also hängte ich sie zu den anderen Sachen auf die Leinen. Dann stopfte ich Tischdecke, Socken und Schürzen in die Maschine.
    Zurück in Danners Wohnung schaltete ich den Fernseher ein und drehte den Musikkanal auf volle Lautstärke. Der Boden zitterte im Takt der Bässe.
    Aufräumen sollte ich, hatte Danner gesagt, aber in seinen Sachen Schnüffeln war verboten. Das war doch wohl ein Widerspruch in sich!
    Ich machte mich daran, die Ordner im Regal zu sortieren, um für möglichst viele der in der Wohnung verteilten Akten Platz zu schaffen.
    MTV brachte Oldies, Madonna sang gerade Like a virgin. Ich sang mit und stellte erstaunt fest, dass ich mich zum ersten Mal seit sehr langer Zeit gut fühlte. Dabei hätte ich mir wohl Sorgen machen sollen. Gestern war ich immerhin noch die missratene Tochter eines Oberstaatsanwalts gewesen, von der jeder wusste, dass sie, so sehr sie sich auch anstrengte, ihre Karriere als Staranwältin nicht verhindern konnte.
    Heute hatte ich sie verhindert.
    Dabei hätte ich hundert bequeme Semester studieren und auf die Pauke hauen können. Und hinterher hätte noch immer ein Anruf meines Vaters ausgereicht, um mir einen gut bezahlten Job zu besorgen.
    Stattdessen wusch ich jetzt für zwei schmuddelige Typen die Unterhosen und hatte das Gefühl, irgendetwas richtig zu machen.
    Nach einer halben Stunde hatte ich die kreuz und quer in dem Regal liegenden Akten ordentlich nebeneinander gestellt und alle losen Zettel hervorgezogen und gestapelt.
    Zumindest beschriftete Danner die Ordner sorgfältig, auch wenn er sich einen Dreck darum scherte, wo sie danach verschwanden. Außer dem Namen des Klienten stand das Datum, wann der Auftrag angenommen und abgeschlossen worden war, auf den Papprücken. Bis jetzt war mir keine Akte zwischen die Finger geraten, an der er noch arbeitete.
    Ich stellte Ordner um Ordner ins Regal, bis es voll war. Die Aktenstapel aus der Ecke neben dem Schreibtisch und aus der Küche hatte ich untergebracht, aber die Ordner, die ich im Kühlschrank, auf den Fensterbänken, im Badezimmer und wer weiß wo sonst noch entdeckt hatte, passten nicht mehr hinein. Und wohin mit den zwanzig Ordnern, die ich ohne Zweifel im Eisfach finden würde?
    Ich trat an den Schrank, den Danner als Bar benutzte. Hinter dem Glasfenster standen Flaschen in allen Farben, von Baileys bis Bourbon war dort alles zu finden. Daneben Gläser, nicht mehr als drei von jeder Sorte.
    Ich bückte mich nach den unteren Türen des Schrankes. Es klirrte, als ich sie öffnete, und bevor ich die Klappen wieder schließen konnte, kullerten etwa zwei Dutzend leere Flaschen über den Boden.
    Ach, du Scheiße!
    Ich warf einen Blick in den Schrank. Noch einmal so viele leere Pullen waren stehen geblieben.
    Alkoholiker?
    Nein, das konnte ich mir nicht

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