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Der 13. Brief

Titel: Der 13. Brief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Klassen
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im Haus meiner Eltern teilgenommen.
    Ich wischte den Schrank aus und brachte tatsächlich alle restlichen Akten darin unter. Die klebrigen Mülltüten stellte ich gerade neben die Tür, als es klopfte.
    »Ich bin’s!«, brummte Molle.
    Ich öffnete.
    Molle hielt mir eine Packung Tampons entgegen: »Ich mach jetzt Essen, kommst du runter?«
    »Ich wasch mir nur noch die Hände.«
    Nach meiner groß angelegten Alk-Entsorgungs-Aktion hatte ich das Gefühl, wie ein Penner auf der Parkbank zu riechen.
    Als ich mir die Hände abtrocknete, klingelte wieder das Telefon.
    »Detektei Danner?!«, meldete ich mich erneut.
    »Guten Tag.«
    Ich erkannte die angenehme Frauenstimme sofort.
    »Ist Ben jetzt zu sprechen?«
    Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, dass ›Ben‹ Danners Vorname sein musste.
    »Herr Danner ist noch immer außer Haus«, erklärte ich in geschäftsmäßigem Tonfall. »Kann ich diesmal eine Nachricht hinterlassen, Frau –?«
    Sie fiel nicht darauf rein: »Wann wird er zurück sein?«
    »Das entzieht sich leider meiner Kenntnis.«
    Sie seufzte: »Na schön. Sagen Sie ihm, Marie hat angerufen und dass ich seit drei Tagen versuche, ihn an die Strippe zu bekommen!«
    »Schon notiert. Ihre Nummer?«
    »Die hat er. Wiederhören.« Sie legte auf.
    Marie also.
    Freundin, Exfrau oder eine von einem Mörder verfolgte Klientin?
    Den letzten Gedanken strich ich sofort wieder von der Liste: zu erschrocken über meine Stimme und zu fordernder Ton!
    Eindeutig Freundin oder Exfrau.
    »Wer ist Marie?«, fragte ich also Molle, als der ein Tablett mit einem Kartoffelpufferturm darauf auf den Tisch stellte.
    »Ruft sie jetzt dich an?« Molle schaufelte sich das halbe Glas Apfelmus auf den Teller.
    »Schon zwei Mal.« Ich packte mit zwei Fingern einen heißen Puffer, zog ihn schnell auf meinen Teller und leckte meine Fingerspitzen ab.
    Deutlich erinnerte ich mich an die vorwurfsvolle Miene meiner Mutter, mit der sie mich mit fast zwanghafter Beharrlichkeit bedacht hatte, wenn ich mich zu Hause bei Tisch so benahm.
    Molle griff ebenfalls mit den Fingern zu: »Bei mir hat sie gestern vier Mal angerufen. Ich hab Ben gesagt, ich stell das Telefon ab. Der denkt doch gar nicht dran, zurückzurufen.«
    »Ist sie seine Freundin? Haben sie Krach?«
    Molle winkte ab und schob sich einen halben Puffer in den Mund: »Er hat neulich mal ’n paar Fotos für sie gemacht, glaube ich. Es wird nichts Festes sein, nur weiß sie das anscheinend noch nicht.«
    Molles Puffer waren dunkelbraun gebraten, knusprig und trieften vor Fett – mit einem Wort: wunderbar! Wir verputzten fünfzehn Stück. Molle neun, ich sechs.
    »Um sieben tauchen meistens die ersten Stammgäste auf«, erklärte mir der Dicke, während wir abräumten. »Dienstags ist nicht viel los. Schätze, gegen elf ist Feierabend, okay?«
    »Okay, Chef.«

8.
    Nach dem Mittagessen entsorgte ich die leeren Flaschen in einem Altglascontainer drei Straßen weiter.
    Ziemlich sicher hatte ich mittlerweile jede Akte in der Wohnung in den Händen gehabt und merkwürdigerweise stand auf allen: Abgeschlossen. Der letzte Ordner trug das Datum 28.08. – das war fast zwei Monate her. Baumbach lautete der Name des Klienten.
    Ich erinnerte mich sehr wohl an Danners Warnung: »Finger weg von meinen Sachen!« Doch ich entschied, dass es keinen Grund gab, ausgerechnet auf Danner zu hören. Ich setzte mich mit dem Ordner Baumbach aufs Sofa, stellte MTV leiser und schlug die Mappe auf.
    Auftrag von M. Baumbach erhalten am 24.08. , stand da in schräger, flüssiger, aber schwer zu entziffernder Schrift. Scheidungssache, Anwaltsbüro Sommer, einige Adressen von beteiligten Personen. Blabla.
    Ich schlug die nächste Seite auf.
    Da wurde es interessanter!
    M. Baumbach, die ich sofort des Telefonterrors verdächtigte, unterstellte ihrem Mann – einem Oberinspektor beim Finanzamt – ein Verhältnis mit seiner Stellvertreterin. Sie wollte Beweise, um bei der bevorstehenden Scheidung bessere Karten zu haben.
    Auf der nächsten Seite folgte ein Foto. Es zeigte einen breitschultrigen Mann Anfang fünfzig. Er trug einen dunklen Zweireiher mit altrosa Krawatte zu dicken, grauen Locken und sah für sein Alter nicht übel aus. Im Arm hielt er eine dürre, dick bebrillte Brünette im mausgrauen Kostüm. Sie trug einen Dutt, der sie wie sechzig aussehen ließ, wahrscheinlich war sie aber um die vierzig, schätzte ich.
    Das war doch wohl nicht M.?
    Ich bitte dich, Danner!
    Mein Blick fiel auf Danners Schriftzug

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