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Der 13. Brief

Titel: Der 13. Brief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Klassen
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M.
    »Also, muss ich die Polizei rufen oder verraten Sie mir Ihren Namen?«, drohte er, allerdings nicht ernsthaft.
    »Lila Ziegler«, gehorchte ich abwartend.
    »Und was haben Sie in Bens Bude verloren?«
    »Ich wohne hier für ’ne Weile.«
    Staschek lachte wieder: »Dann müssen Sie eine sprechende Küchenschabe sein, Frau Ziegler!«
    Ich schwieg schmunzelnd.
    »Ich sehe schon, ich werde jedes Ungeziefer in seiner Wohnung einzeln verhören müssen, um etwas über Sie herauszufinden. Wenn Sie mir versprechen, dass Sie nicht eingebrochen sind, lasse ich Sie für heute in Ruhe.«
    »Versprochen.«
    »Gut. Sagen Sie Ben, ich bin um zehn bei Molle.«
    »Wird gemacht, Herr Staschek. Ist das eine geschäftliche Nachricht? Sind Sie ein Klient?«
    Der Mann schwieg einen Augenblick.
    »Ich vermute, Sie sind ebenfalls eine Schnüfflerin und in die Detektei eingestiegen. Kann das sein?«
    »Tut mir leid, aber es bleibt dabei: Ich wohne hier.«
    »Na schön. Wir werden sehen. Auf Wiederhören, Frau Ziegler.«
    »Auf Wiederhören, Herr Staschek.«
    Immer noch schmunzelnd legte ich den Hörer auf.
    Dann schlüpfte ich in meine Jeans mit den bunten Handabdrücken, die inzwischen auf der Leine getrocknet war, und in einen giftgrünen Strickrolli mit aufgenähten Sonnenblumen.

9.
    Als Molle mich gewaschen und gekämmt sah, kratzte er sich am Kopf: »Wenn dir einer an den Hintern grapscht, sag mir Bescheid, dann schmeiß ich ihn raus! Nach dem zehnten Bier haben die meisten Typen hier keine Manieren mehr.«
    Hatte der Mann, der einen Kartoffelpuffer zweimal faltete, bevor er ihn mit den Fingern in den Mund schob, gerade von Manieren geredet?
    »Hilke, meine letzte Bedienung, wog ungefähr so viel wie ich«, fuhr Molle fort. »Sie trug aus Überzeugung geblümte Kittel zu Biolatschen.«
    In der Kneipe war noch nichts los. Drei Paketdienstfahrer lehnten mit einem Glas in der Hand an der Theke.
    »Willste auch was trinken?« Molle deutete auf sein Bier, das neben der aufgeschlagenen BILD-Zeitung auf dem Tisch an der Theke stand.
    »Tee mit Zitrone.«
    Er musterte mich über seine Brille hinweg: »Na, das hat hier nach sechs noch keiner bestellt.«
    »Ich nehm auch ’n Wasser.«
    »Nee, Tee mit Zitrone ist kein Problem.«
    Ich setzte mich an den Tisch und schnappte mir die BILD. Gleich darauf stellte mir Molle den frisch aufgebrühten Tee hin und wir teilten uns die Zeitung.
    Erst nach halb acht trudelten weitere Gäste ein.
    Ein Vertreter in einem billigen Anzug stellte seinen Aktenkoffer neben mir unter die Theke. Sein grauer Scheitel glänzte, auffallend viele geplatzte Äderchen ließen seine Nase bläulich schimmern und er roch nach verschwitztem Polyester.
    Alk, meldete mir meine misstrauische Gehirnseite.
    Molle stellte dem Gast ein Bier und einen Kurzen hin, bevor er auch nur seine Krawatte gelockert hatte.
    Ich konnte mir vorstellen, wie Molle sich den ganzen Abend die Geschichten anhörte, die seine Gäste gestern auch schon erzählt hatten. Wie er für sie entschied, dass der letzte Schnaps bestellt wurde, weil sie es nicht konnten. Wie er ihnen eine Taxe rief und dem Fahrer die Adresse nannte, die sie nicht mehr wussten.
    Ich begriff, dass Molle der Grund dafür war, dass dieser schäbige, kleine Laden eine halbe Stunde später brummte. Als Danner hereinkam, standen sechs Paketdienstfahrer und acht verschwitzte Vertreter bei Molle an der Theke, einige bärtige Motorradfreunde spielten Dart und ein Fußballstammtisch diskutierte bei Schnitzel Pommes lautstark die Ursachen der letzten Niederlage des VfL.
    Danner zapfte sich ein Bier, bevor er sich an Molles Tisch setzte und nach der BILD-Zeitung griff.
    Beinahe sofort schob mir Molle ein Schnitzel Pommes für den Detektiv über den Tresen.
    Ich stellte es ihm unter die Nase.
    »Du bist ja immer noch da!«, stichelte er zur Begrüßung.
    »Marie hat angerufen.« Ich setzte mich ihm gegenüber. »Drei Mal.«
    Er stöhnte.
    »Sie wartet auf einen Rückruf und sie scheint ein bisschen ungeduldig zu sein.«
    Sein warnender Blick sollte mich zweifellos zum Schweigen bringen.
    »Was läuft mit Marie?«, fragte ich, wenig eingeschüchtert.
    Er dachte nicht daran, zu antworten.
    Ich dachte nicht daran, lockerzulassen: »Will sie dich heiraten, oder was?«
    »Quatsch!«
    »Aber ihr habt was miteinander, richtig!?«
    Mit den Fingern stopfte er sich ein paar Pommes in den Mund: »Wir waren ein paarmal in der Kiste, das nenne ich nicht Beziehung.«
    Aha, es war ja doch was aus ihm

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