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Der 13. Brief

Titel: Der 13. Brief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Klassen
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wohnst!«
    »Aber warum –?«, wollte ich widersprechen.
    »Weil du sonst rausfliegst, schon vergessen?«
    »Arschloch!«
    »Danke.«

10.
    Die meisten Gäste waren bereits gegangen, als um kurz nach zehn ein Mann in einem knielangen, dunklen Mantel Molles Kneipe betrat.
    Danner erhob sich und setzte sich gemeinsam mit dem Fremden, der dann wohl Staschek sein musste, ans Fenster.
    Ich blieb hinter der BILD hocken und betrachtete den Mann neugierig über den Rand der Zeitung hinweg.
    Er war etwas älter als Danner, vielleicht Mitte vierzig – dafür war er nach wie vor im Besitz seiner Haare. Tatsächlich sah er so aus, wie seine Stimme klang: ausgesprochen attraktiv. Groß, schlank, mit vielleicht etwas zu langen Armen und Beinen, die ihm den jungenhaften Charme eines zu schnell gewachsenen Teenagers verliehen. Sein Haar war kastanienbraun, leicht gewellt und es glänzte, als würde er täglich mehrere Aufbaupräparate anwenden.
    Prüfend ließ er seinen Blick durch den Raum wandern und bemerkte beinahe sofort, dass ich ihn beobachtete.
    Er zwinkerte mir zu.
    Ich stand auf und ging zu ihm hinüber.
    »Kann ich Ihnen was bringen?«, fragte ich und tat so, als würde ich Danners eisigen Blick nicht bemerken.
    »’n Hefe«, nickte Staschek.
    »Für mich noch ’n Bier«, knurrte Danner und meinte wohl eigentlich: Verpiss dich!
    Ich schlenderte davon.
    Diese bescheuerte Regel, nicht mit Klienten zu sprechen, fing an, mich zu nerven.
    Danner und Staschek unterhielten sich leise, während Molle das Bier zapfte. Als ich den beiden die Gläser hinstellte, verstummten sie wieder.
    Wichtigtuer!
    »Warten Sie, ich zahle gleich«, hielt Staschek mich zurück, als ich mit dem leeren Tablett wieder verschwinden wollte.
    Danner pfiff die Melodie von Wunder gibt es immer wieder vor sich hin und verschränkte die Arme.
    »Macht drei fuffzig!«
    Staschek zückte seine Brieftasche und hielt mir zehn Euro hin. »Der Rest ist für Sie, Fräulein …?«
    »Cassandra. Danke schön.«
    Danner verzog keine Miene.
    Staschek zwinkerte mir mit strahlend schönen, kastanienfarbenen Augen zu und ich lächelte genauso strahlend zurück.
    »Na, wenigstens hat Molle nicht wieder so ein Nilpferd eingestellt«, hörte ich ihn zu Danner sagen und vermutete, dass ich es auch hören sollte.
    »Wenn du über den Tresen wischst, kann ich schon mal die Küche machen«, meinte Molle, als ich neben ihn trat. Mit dem Kopf deutete er auf Danner und Staschek: »Die beiden können nachher selbst spülen.«
    Ich nickte. Von der Theke aus hatte ich wunderbare Sicht auf Danners Tisch. Die beiden Männer besprachen etwas mit ernsten Mienen, doch obwohl es in der Kneipe jetzt ruhig war, verstand ich dummerweise kein Wort.
    Auf einmal nickte Danner und schob Staschek ein durchsichtiges Plastiktütchen über den Tisch.
    Ich erstarrte vor Schreck, der nasse Schwamm fiel mir aus der Hand und landete klatschend auf dem Boden. Hastig hob ich ihn auf und beobachtete, wie Staschek die Tüte prüfend schüttelte. Der Inhalt war pulverförmig und weiß.
    Mit Sicherheit lieh der sich kein Waschpulver aus!
    Er steckte die Tüte ein.
    Scheiße!
    Nun zog Staschek einen Umschlag aus seiner Manteltasche und hielt ihn Danner hin.
    Das war ja wie in einem Vorabendkrimi im ZDF!
    Die dealten.
    In einer Kneipe.
    Direkt am Fenster!
    Meine Gedanken überschlugen sich. Ich musste hier weg! Ein billiger Schlafplatz war ja ganz schön, aber bitte nicht auf dem Sofa eines Drogendealers!
    Schnell wischte ich den Rest der Theke ab.
    »Hier ist alles fertig, Molle!«, rief ich in die Küche.
    »Morgen zeige ich dir, wie du zapfst!«, kam die Antwort.
    Daran glaubte ich nicht. »Schön, bis dann«, verabschiedete ich mich trotzdem und schlenderte zur Tür.
    Für einen Augenblick glaubte ich, Danners Blick auf meinem Rücken zu spüren. Ich widerstand dem Drang, mich umzusehen, um festzustellen, ob ich recht hatte.
    Kaum war ich im Treppenhaus, rannte ich los.
    Schlüssel, wo hatte ich den Schlüssel?
    Ich zerrte ihn aus meiner Hosentasche. Es dauerte einige Sekunden, bis ich das Schloss traf!
    Drogendealer! Mist!
    Wieso hatte ich das nicht gleich gemerkt?
    Ich schnappte meinen Rucksack, riss meine Wäsche von der Leine im Bad und stopfte sie achtlos hinein.
    Der BH auf dem Wannenrand!
    Schuhe?
    Socken?
    Der Reißverschluss hakte, ich zerrte ihn ungeduldig zu.
    Wo war meine Jacke?
    Hatte ich alles?
    Ich sah mich noch einmal im Wohnzimmer um.
    Nichts wie weg!
    Ich riss die Wohnungstür

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