Der 13. Brief
rauszukriegen!
»Und auch diese Nichtbeziehung beendest du jetzt. Warum?«
Er trank einen zu langen Schluck Bier.
»Hat sie Cellulitis?«, bohrte ich weiter. »Pickel am Arsch? Oder hat sie dich plötzlich mit Handschellen ans Bett gefesselt?«
Wieder blitzte dieses verwirrende Glitzern in seinen Augen auf und allen Bartstoppeln zum Trotz erschien ein Grübchen auf seiner linken Wange. Zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, hatte ich ihn zum Grinsen gebracht.
Ich war so überrascht, dass ich vergaß weiterzufragen.
Doch er nahm meine Herausforderung an: »Nein, sie sieht gut aus. Sie ist nett, gebildet, mit ihrem Arsch ist alles in bester Ordnung und leider steht sie auch nicht auf Handschellen.«
Ich wunderte mich über den leisen Schauer, der mir die Nackenhaare aufstellte. Doch ich ließ mir nichts anmerken: »Aber …?«
Er zuckte die Schultern.
»Aber was …?«, blieb ich hartnäckig dran.
»Na schön. Sie könnte auch ’ne Kontaktanzeige aufgeben: Attraktive, nicht mittelose Frau Mitte dreißig, NR, sucht netten Ihn für gemeinsame Reisen, Theaterbesuche und was sich sonst noch ergibt.« Mit dem Glas in der Hand deutete er auf seinen schwarzen Pulli. »Sehe ich aus wie ein ›netter Er für gemeinsame Reisen‹?«
Ich lachte auf: »Eher nicht.«
»Siehst du, sogar du begreifst das sofort, aber Marie kapiert’s nicht! Oder hat sie dich zufällig für mein minderjähriges Betthäschen gehalten?«
»Nicht direkt«, schüttelte ich den Kopf. »Eher für deine Sekretärin. Ich hab wohl so was erwähnt.«
Beinahe hätte er sein Bier über den Tisch gespuckt: »Und das hat sie geglaubt?«
»Natürlich.«
»Ach ja, du lügst ja wie gedruckt«, erinnerte er sich.
Das hatte er schon einmal gesagt und auch dieses Mal fragte ich mich, ob er mich wirklich schon so weit durchschaut haben konnte. Ich zögerte – allerdings nur eine Sekunde lang. »Wann genau soll ich gelogen haben?«
Danner zog eine Augenbraue hoch. »Bei der bescheuerten Geschichte mit Onkel Max, um nur ein Beispiel zu nennen.«
Gespannt richtete ich mich auf: »Was stimmt daran nicht?«
»Sie ist das Dümmste, was ich je gehört habe! Niemand fährt in die falsche Stadt.«
»Max Ziegler ist wirklich mein Onkel!«, schnappte ich entrüstet zurück.
Danner stellte sein Glas auf den Tisch: »Nur lebt er nicht in Beckum. Was würdest du mir sagen, wenn ich dir erzähle, dass es dort zwar eine Annastraße gibt, aber kein Max Ziegler gemeldet ist?« Seine Stimme war leise, klang aber gefährlich. Er ließ mich keine Sekunde aus den Augen.
Das war eine so eindeutige Provokation, dass ich hätte schreien können vor Wut. »Oh«, sagte ich bedacht. »Das kann daran liegen, dass das so eine Männer-WG ist. Schwule Künstler. Der Max war schon immer was Besonderes, sagt Mama. Ich war echt gespannt, ihn endlich kennenzulernen. Vielleicht läuft die Wohnung auf den Namen eines Mitbewohners?!«
»Nein«, sagte Danner genauso bedacht. »Ich habe mich gefragt, wieso ich mir überhaupt die Mühe mache, das zu prüfen.« Er musterte mich ausdruckslos.
Ich spürte das starke Bedürfnis zu schlucken, ließ es aber bleiben. Hatte er das wirklich geprüft? Oder bluffte er?
Ich versuchte, seinem Blick standzuhalten, und registrierte irritiert, dass seine Augen noch immer glitzerten.
»Es gibt in ganz Beckum keinen Max oder Maximilian Ziegler«, fuhr er fort. »In ganz Deutschland ist dieser Name nicht so verbreitet, wie man denkt, es gibt ihn nur neunundachtzig Mal. Damit allerdings noch immer dreiundachtzig Mal öfter als Dorothea Ziegler. Alle sechs Damen leben übrigens in Bayern.«
Seine Worte fühlten sich wie eine Schlinge an, die sich um meinen Hals legte. Und Danner machte es offensichtlich Spaß, sie enger zu ziehen.
»Da ich der Meinung bin, dass es an ein Wunder grenzt, wenn ein Bayer akzentfrei Hochdeutsch spricht, kommst du eher nicht aus der Gegend. Immerhin neigen Frauen dazu, Ermittlungen durch Eheschließung zu erschweren. Sollte deine Mutter ihren Mädchennamen ganz abgelegt haben, wird es länger dauern, sie zu finden. Sollte sie sich aber für einen Doppelnamen entschieden haben, lebt sie entweder als Dorothea Schmidt-Ziegler in Duisburg, als Dorothea Zemecki-Ziegler in Duderstadt, als Dorothea Simanowski-Ziegler in Hannover oder als Dorothea Mecke-Ziegler in einem Kaff namens Knetenbüttel an der Ostsee. Knetenbüttel würde ich rein gefühlsmäßig beinahe ausschließen, andererseits kommt es auf einen Anruf mehr oder weniger
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