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Der 13. Brief

Titel: Der 13. Brief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Klassen
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nicht an. Es wird nicht schwierig sein, herauszufinden, ob eine der Damen eine Tochter mit lila Haaren vermisst.«
    Ich saß jetzt kerzengerade. Ich spürte meinen Herzschlag unterhalb meines Kehlkopfes, meine Handflächen waren plötzlich klebrig. Ich hatte ihn unterschätzt!
    Pack deine Sachen und renn, riet mir eine leicht panische innere Stimme.
    »Gute Lügner bleiben in der Nähe der Wahrheit, um nicht selbst den Faden zu verlieren«, sprach Danner weiter und seine Worte trafen mich wie heiße Pfeile. »Aber genau an diesem Faden kann man sie auch erwischen.«
    Jetzt wäre ich gerannt, hätte mich der Schreck nicht gelähmt.
    Seine Augen glitzerten immer noch.
    Ich wusste, er sah mir an, dass er recht hatte.
    Ich hatte wissen wollen, wie weit er mich durchschaute, und jetzt wusste ich es. Ich hätte genauso gut splitternackt vor ihm sitzen können, es hätte keinen Unterschied gemacht.
    »Verrätst du mich?«, war alles, was ich tonlos hervorbrachte.
    Er brach endlich den Blickkontakt ab und griff nach seiner Gabel: »Ich wüsste nicht, wen es was angeht, wo du dich rumtreibst. Du bist schließlich volljährig.« Ein plötzlicher Gedanke ließ ihn innehalten. »Du bist doch wirklich einundzwanzig?!«
    Zum ersten Mal seit sehr, sehr langer Zeit zögerte ich mit einer Antwort.
    Wütend warf Danner die Gabel auf den Teller: »Ich will auf der Stelle deinen Ausweis sehen, und wenn du noch nicht achtzehn bist, leg ich dich persönlich übers Knie!«
    »Ich bin zwanzig!«
    »Deinen Perso! Und erzähl mir nicht, du hast keinen dabei. Wenn du ohne Ausweis abgehauen bist, kriegst du das Bett und ich schlaf auf dem Sofa!«
    Tatsächlich hatte ich seit Jahren immer meinen Personalausweis und hundert Euro bei mir, nur für den Fall, dass ich abends nicht nach Hause fuhr.
    Ich hielt den Ausweis bereits zwischen den Fingern, tat aber, als ob ich noch in der Hosentasche danach suchen würde.
    Alles in mir sträubte sich dagegen, Danner noch mehr von mir zu zeigen, als er sowieso schon gesehen hatte.
    »Du pennst in meiner Wohnung, verdammt noch mal! Ich will zumindest deinen Namen wissen!«, schnauzte Danner mich an, weil er selbstverständlich längst begriffen hatte, dass ich ihn hinhielt.
    Erstaunt sah ich auf: »Lila Ziegler, das hab ich doch schon hundertmal gesagt!«
    »Ist Lila alles? Oder ist das eine Abkürzung?«, bellte er bissig.
    »Lila ist alles.«
    »Also eine Abkürzung. Für was steht Lila?«
    Ich schwieg.
    »Für. Was. Steht. Lila?« Danners Blick durchbohrte mich.
    »Liliana«, gab ich mit knirschenden Zähnen zu.
    »Und weiter?«
    »Liliana Ziegler.«
    »Dir ist klar, dass ich immer noch deinen Ausweis sehen will?«
    Ich gab mich geschlagen. Meine Hand zitterte leicht, als ich ihm die Plastikkarte hinhielt.
    Er schnappte sie sich.
    Liliana-Cassandra Simanowski-Ziegler stand da.
    Danner grinste: »Simanowski-Ziegler, schau an.«
    »Wirst du meinen Eltern sagen, wo ich bin?«, fragte ich wieder und überlegte, wie ich je sicher sein sollte, dass er das nicht tat.
    »Das wäre die einfachste Möglichkeit, dich loszuwerden«, sagte er nachdenklich. »Aber Molle würde mir nie wieder was zu essen machen. Also atme mal wieder.«
    Das war natürlich ein Argument. Und nicht das schlechteste.
    Molle schob sechs Bier für die Fußballfreunde auf den Tresen. Ich stand auf, um zu servieren, und war froh, Danner entkommen zu können.
    »Ach ja«, fiel mir im Gehen ein. »Staschek kommt um zehn her.«
    Mit einem lauten Ruck drehte sich Danner nach mir um. »Du hast mit Staschek gesprochen?«, rief er mir quer durch den Raum nach.
    Ich lieferte die Runde Bier am Stammtisch ab, bevor ich mich wieder neben Danner niederließ: »Ich habe mit Staschek gesprochen, ja.«
    »Hatte ich nicht erwähnt, dass du nicht mit Klienten sprechen sollst?«
    »Hattest du nicht auch erwähnt, dass ich nicht fernsehen soll?«, konterte ich liebenswürdig.
    Danners Augen wurden schmal. »Hast du Staschek gesagt, wer du bist?«
    »Ich habe nicht mal dir gesagt, wer ich bin.«
    Danner knurrte zur Antwort.
    »Okay, ich hab ihm gesagt, dass ich bei dir wohne, aber das hat er mir nicht abgekauft. Die Wahrheit liegt mir anscheinend nicht besonders.«
    »Das ist alles?«
    Ich nickte.
    »Na schön …« Kauend warf Danner einen Blick auf seine Uhr. Inzwischen war es nach neun. »Wenn Staschek auftaucht, setze ich mich mit ihm rüber ans Fenster und du hältst Abstand, kapiert? Du bist die neue Bedienung, kein Wort mehr davon, dass du bei mir

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