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Der 13. Engel

Der 13. Engel

Titel: Der 13. Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Borlik
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neben ihr in ihrer vollen Größe und Pracht zu präsentieren.
    »Oh nein!«, rief Amy, als sie die Menschenmasse sah, die sich um die Kathedrale versammelt hatte. Das sind ja Tausende, nein, Zehntausende, dachte sie beeindruckt und eingeschüchtert zugleich.
    »Wir hätten besser das Automobil genommen«, meinte Finn naserümpfend. »Damit hätten wir bis vor den Eingang fahren können. So, wie es diese piekfeinen Adeligen in ihren Kutschen machen.«
    Cornelius schüttelte den Kopf. »Das hätte zu viel Aufsehen erregt. Wir dürfen auf keinen Fall aus den anderen Gästen herausstechen.«
    Mühsam quetschten und drängten sie sich zwischen den Schaulustigen hindurch, die davon überhaupt nicht begeistert waren. Immer wieder wurden sie mit finsteren Blicken gestraft, manche beschimpften sie sogar lautstark. »Einfach ignorieren«, grummelte Cornelius, der Amy und Finn vorausging, um den Weg für sie frei zu machen. Als sie sich schließlich bis in die vorderste Reihe vorgekämpft hatten, bugsierte er die beiden zum äußersten Rand der Wartenden. Dann beugte er sich zu Finn vor und musterte ihn fragend. »Ich weiß, wie viel Kraft ein solcher Illusionszauber kostet. Und wäre die Situation eine andere, würde ich dir beistehen. Aber du weißt ja, es geht nicht. Ich müsste mich dafür voll und ganz auf euch konzentrieren und das würde meine Aufmerksamkeit schwächen. Dieses Risiko kann ich nicht eingehen, bevor ich nicht weiß, wo Lucia und die anderen sind. Und ob sie uns nicht bereits in der Kathedrale auflauern.« Er musterte Finn sorgenvoll. »Du musst wenigstens so lange durchhalten, bis wir an den Wachen vorbei sind. Wirst du das schaffen?«
    Amy warf Finn einen aufmunternden Blick zu. Die letzten Tage hatte er unablässig geübt, eine Illusion um sie beide herum zu weben, die sie wie einen hochnäsigen Earl und seine noch hochnäsigere Frau aussehen ließ. Allerdings war der Zauber so anstrengend, dass er ihn bisher nie lange durchgehalten hatte. Es musste also alles sehr schnell gehen. Wenn ihre Tarnung sich auflöste, bevor sie das Portal durchschritten hatten, würden sie auffliegen.
    Finn holte tief Luft und nickte.
    Cornelius richtete sich wieder auf und stellte sich so vor den beiden hin, dass sie hinter seinem Rücken verschwanden. Zusätzlich stemmte er die Arme in die Hüften, wodurch das Cape, das er trug, auseinandergezogen wurde und einen noch größeren Sichtschutz bot. Schon im nächsten Moment tippte ihm ein grauhaariger Mann mit strengem Gesicht und buschigen Wangenbärten von hinten auf die Schulter. Neben ihm stand eine Frau mit einer Nase spitz wie ein Habichtschnabel.
    Cornelius grinste. »Perfekt.«
    Amy war mulmig zumute, als sie sich dem riesigen zweiflügeligen Portal der Kathedrale näherten. Auf jeder Seite waren sechs Wachen in den purpurroten Uniformen der königlichen Leibgarde postiert, kräftige Männer mit bulligen Gesichtern, deren bloßer Anblick so einschüchternd wirkte, dass die Zuschauer freiwillig einen weiten Abstand zu ihnen wahrten. Alle zwölf trugen blitzblank polierte Helme, die in der warmen Oktobersonne glänzten, und waren mit Hellebarden bewaffnet, die sie um zwei Haupteslängen überragten. Vollkommen reglos standen sie mit versteinerten Mienen da, die Blicke starr geradeaus gerichtet, als wären sie völlig in die Betrachtung der jubelnden Menge vertieft. Dennoch war Amy überzeugt, dass sie ganz genau mitbekamen, was um sie herum geschah.
    Cornelius schien über die Wachen nicht im Mindesten bekümmert. Seine ganze Erscheinung strahlte eine solche Würde, Vornehmheit und Arroganz aus, dass selbst die anderen Gäste ihm bewundernde Blicke zuwarfen und sich gegenseitig hinter vorgehaltener Hand zutuschelten, wer er wohl sei. Amy nahm dies alles nur am Rande wahr. Momentan galt ihre größte Sorge Finn, der in der Gestalt des alten Earls neben ihr herwankte. Gehörte das zu seiner Rolle? Sie war sich nicht sicher und deshalb hakte sie sich vorsorglich bei ihm unter. Cornelius hingegen genoss seinen Auftritt sichtlich. Mit geschwellter Brust stolzierte er, an den Wachen vorbei, auf einen älteren Herrn in einer grünen Livree mit weißer Halskrause zu, der die edlen, mit Gold verzierten Einladungen entgegennahm.
    Als Cornelius vor ihm stehen blieb, war der Alte so eingeschüchtert von seiner Erscheinung, dass er nicht anders konnte, als sie durchzuwinken, ohne sich auch nur versichert zu haben, ob ihre Einladungen echt waren. Aber selbst wenn er es getan hätte,

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