Der 18 Schluessel
wich zurück gegen die Wand. Sein Gesicht zeigte den Ausdruck ehrlicher Bestürzung. „Eliana, warum weinst du denn? Ich wollte dir nichts tun.“
Eliana rutschte auf ihren Knien bis zum Ende des Bettes und wickelte sich hastig in eine Decke. Was war das für ein Theater, das er ihr vorzuspielen versuchte? „Du wolltest mich vergewaltigen ... als Dank dafür, dass ich dir geholfen habe!“
Nun schien er seine Taktik zu ändern und den Reuigen zu spielen. „Es tut mir leid ... ich dachte, dass du es auch willst. Du warst vorhin so traurig, und als ich dich nach deinem Mann fragte, hast du nichts gesagt. Also dachte ich, dass du traurig bist, weil du keinen Mann hast. Ich dachte einfach, dass es ... unkomplizierter ist.“
„Unkomplizierter?“
Danyal sah sie mit einer Offenheit an, die Eliana vollends verwirrte. Entweder war er ein verdammt guter Schauspieler oder tatsächlich vollkommen ahnungslos, was das Zusammenspiel zwischen Männern und Frauen anging.
„Ja ...“, gab er zu, „... ich dachte, dass es etwas ist, das keiner Absprache bedarf, weil es für euch ... natürlich ist ... auf jeden Fall sah es im Fernsehen so aus.“
Wie konnte ein erwachsener und zudem attraktiver Mann so vollends unaufgeklärt sein? „Wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert, da erobern Männer Frauen nicht mehr, indem sie ihnen mit der Keule eins überziehen und sie dann in ihre Höhle schleifen!“ Zumindest das musste er doch wissen.
„Ich verstehe.“ Beschämt senkte Danyal den Blick und flüsterte: „Ich hätte das nicht tun dürfen. Du erinnerst mich an jemanden, den ich vor langer Zeit kannte ... dein rotes Haar.“
Er sah in ihr also eine Ersatzbefriedigung für eine andere Frau. Schlimmer konnte es ja kaum noch kommen. Ungehalten wies Eliana Richtung Schlafzimmertür. „Geh ins Wohnzimmer und warte, bis ich mir etwas angezogen habe.“
Als sie allein war, atmete sie tief durch. Auf was hatte sie sich da eingelassen, als sie ihn mit in ihre Wohnung genommen hatte? Sigmund Freud hätte sie ohne Umschweife zur Psychoanalyse auf seine Couch komplimentiert. Normalerweise war sie ein besonnener und auf Sicherheit bedachter Mensch. Spätestens jetzt wäre es nur logisch gewesen, Danyal auf die Straße zu setzen. Er tat ihr nicht gut ... er warf sie aus der Bahn. Nie wieder Menschen mit psychischen Problemen, das hast du dir geschworen! Und in ein paar Tagen würde sie zu ihren Eltern nach Bonn fahren. Eliana seufzte. Sie konnte nicht mehr klar denken. Sie redete sich ein, dass es gar nicht in ihrem Ermessen lag, Danyal fortzuschicken. Unsinn! Eliana verfluchte sich für ihre Nachgiebigkeit.
3. Dezember
Obwohl sie die Nacht in ihrem Bett verbracht und Danyal freiwillig mit der Couch vorlieb genommen hatte, fühlte Eliana sich wie gerädert, als sie am nächsten Morgen aufwachte. Vor sich hin sinnierend stolperte sie über eine am Boden liegende Decke, murmelte eine Verwünschung, und verschwand dann im Bad.
Erst als sie in ihrer Arbeitskleidung, Rock und Pullover, in die Küche trat, fühlte sie sich etwas besser. Ein Blick aus dem Fenster ließ sie gähnen. Es war wärmer geworden und regnete. Gabriel schlich lethargisch um sie herum. Eliana stellte ihm seinen Napf vor das Fenster auf den Boden. Sie ging auf Zehenspitzen durchs Wohnzimmer, um ihre Schuhe zu suchen. Danyal lag auf dem Sofa und träumte wahrscheinlich von wilden Sexorgien. Eliana fand ihre Schuhe neben der Heizung, bückte sich – ihr Blick fiel auf einen Block und ein paar herausgerissene und zerknitterte Seiten, die neben dem Sofa lagen. Hatte er ihr einen Brief schreiben wollen, um sich zu entschuldigen? Ohne es zu wollen, gefiel ihr der Gedanke. Eliana schnappte sich einen der Zettel, entknitterte ihn und strich ihn glatt. Sie wurde enttäuscht. Nach einem Entschuldigungsbrief sah das nicht aus, aber er passte zu Danyals kryptischem Charakter. Auf dem Zettel standen Reihen von Zeichen und Symbolen, Linien, Rundungen, deren Endungen jeweils mit kleinen Kreisen abgerundet worden waren, seltsame Zeichen. Wenn es eine Schrift war, dann konnte Eliana sie nicht lesen. Gefrustet entknitterte sie auch die anderen Zettel einen nach dem anderen, aber auch sie enthielten nur die gleichen Anreihungen unverständlicher Zeichen. Eliana knüllte das Papier wieder zusammen und stand auf. Dann überlegte sie es sich anders und nahm einen der Zettel an sich. Vielleicht wusste einer ihrer Arbeitskollegen, was das für eine Schrift war. Henning
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