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Der 18 Schluessel

Der 18 Schluessel

Titel: Der 18 Schluessel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Fiolka
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Mittelalter hatte es in Köln eine jüdische Gemeinde gegeben, die von den Bürgern vertrieben worden war. Das musste um 1420 gewesen sein, doch schon fast hundert Jahre vorher, als die Pest in Köln grassierte, hatte es ein grausames Massaker unter den Juden in deren Viertel gegeben. Die Kölner hatten behauptet, die Juden hätten die Brunnen vergiftet und so die Pest in ihr Hilliges Coellen gebracht. Die Stadtchroniken erzählten von einem wahllosen Massaker an Männern, Frauen und Kindern. Immer wenn Eliana an der Ausgrabungsstelle der Synagoge oder der Mikwe vorbeikam, meinte sie, die Schreie der Menschen hören zu können, die hier ums Leben gekommen waren. Einmal hatte sie sich aus Neugierde den Schlüssel aus dem Praetorium geholt und war in die Mikwe hinabgestiegen, die für Besucher zugänglich war. Sie bestand heute nur noch aus dem unterirdischen quadratischen Schacht, an dessen Fuß sich in einem Becken das Grundwasser sammelte. Es hatte modrig in diesem Schacht gerochen und war kalt gewesen, und Eliana hatte Platzangst bekommen. Sie war froh, dass sie keine Jüdin im Mittelalter gewesen war.
    Eliana ließ die Ausgrabungsstelle zu ihrer Linken hinter sich und bog in die Seitenstraße, in der Lukas wohnte. Irgendwie, so fand Eliana, passte es zu Lukas, dass er in einem Viertel mit einer so schaurigen Geschichte wohnte.
    Als Eliana ihren Finger auf den Klingelknopf aus schmutzigem Plastik drückte, hoffte sie in einem Anflug von Unwillen, dass Lukas nicht zu Hause sein würde. Sie hatte ihn seit mindestens einem Jahr nicht mehr gesehen und ihn auch nicht angerufen. Ihr Besuch war nicht gerade ein Freundschaftsdienst, und das würde er sicherlich auch so sehen.
    Ihre Hoffnung, dass Lukas nicht zu Hause sein könnte, wurde zunichtegemacht, als der Summer die Tür entriegelte und Eliana in den düsteren Hausflur des Altbaus trat. Rechts und links standen mehrere Paar Gummistiefel von Kindern, ein Ball der bereits bessere Tage gesehen hatte, lag auf einer dreckigen Fußmatte. Die Wände des Treppenhauses waren in einem Siebziger Jahre Matschgrün gestrichen. Wer arbeitslos war und an den Grenzen der Existenz lebte, konnte nicht wählerisch sein.
    Lukas wohnte im dritten Stock, und schon während sie den langen Flur zu seiner Haustür entlang lief, bereute Eliana, gekommen zu sein. Auf seiner Tür prangte ein mit schwarzer Farbe unordentlich gemaltes Pentakel. Von einem Kreis umgeben, stand an jeder einzelnen der fünf Spitzen ein Buchstabe oder Zeichen. Eliana wunderte sich, weshalb die Hausverwaltung Lukas Schmierereien auf der Tür erlaubte und war versucht, sich einfach umzudrehen und zu verschwinden. Da öffnete sich die Tür. Hinaus trat eine dunkel gekleidete Gestalt mit schwarz gefärbten strähnigen Haaren. Hinter den Augenringen und dem kalkweißen Gesicht erkannte Eliana noch entfernt die Züge des Lukas, den sie vor Jahren an der Universität getroffen hatte.
    „Eliana?“
    Es war seine Stimme, unverkennbar, und er war natürlich überrascht, sie zu sehen. „Hallo, Lukas“, entgegnete sie vorsichtig, und dann stand sie vor ihm. Er war dünn geworden, und er roch süßlich ... irgendwie nach Friedhofsmoder. Aber vielleicht bildete sie sich das auch nur ein. Als hätten sie sich nicht ein ganzes Jahr weder gesehen noch gesprochen, winkte Lukas sie in die Wohnung. Eliana folgte ihm mit ungutem Gefühl.
    Seine Wohnung war ein Alptraum! Die Wände hatte Lukas komplett schwarz gestrichen und mit roter Farbe entweder Pentagramme oder irgendwelche anderen Zeichen auf die Wände geschmiert. Die Wohnung war unaufgeräumt und roch muffig. Lukas dirigierte Eliana geradewegs in sein Wohnzimmer, das mit einer durchgesessenen Ledercouch, einem von Büchern überfüllten Tisch und einem überquellenden Aschenbecher glänzte. Mit einer Hand fegte er ein paar Bücher, Notizen und Krempel von der Couch, damit Eliana sich setzen konnte. Auch hier roch es süßlich, allerdings mischte sich noch ein Eau de Kippe unter den Friedhofsgeruch.
    „Lange nicht mehr gesehen“, begann Lukas und zündete sich eine Zigarette an. Dann lehnte er sich auf der Eliana gegenüberliegenden Couch zurück und musterte sie ausgiebig. „Du siehst gut aus.“
    Das konnte sie von ihm absolut nicht behaupten, außer sie hätte auf einen dreißigjährigen Alice Cooper Verschnitt mit Psychose und Drogenproblemen gestanden. „Wie geht es dir?“, lenkte Eliana von einem Gegenkompliment ab.
    Er zuckte mit den Schultern und zog an der

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