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Der 21. Juli

Der 21. Juli

Titel: Der 21. Juli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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und er hat einen Hass auf Dich, weil der, den er für seinen Vater hielt und bewunderte, sterben musste, nachdem Du hier aufgetaucht bist. So richtig wird er das alles erst begreifen, wenn er ganz erwachsen ist. Aber ich begreife es auch selbst immer noch nicht ganz, warum Du, den ich so geliebt habe, mir nur Unglück gebracht hast, ohne es zu wollen. Ich möchte das alles vergessen und versuche, ein neues Leben anzufangen. Ich möchte Dich nie wieder sehen und bitte Dich, nicht wieder zu schreiben. Ich wünsche Dir von Herzen, dass Du bald nach Amerika zurückkehren kannst und dort Dein Glück findest.
    Irma.
    Er weinte, als er den Brief gelesen hatte. Sie hatte Recht. Es gab keinen Ausweg. In Werdins Augen war Zacher erst jetzt zum Helden geworden. Er hatte nicht nur den Reichsführer getötet, Zacher hatte die SS geköpft. Kaltenbrunner und Schellenberg waren ebenfalls tot und alle Obergruppenführer, die sich eine Chance auf die Nachfolge Himmlers ausgerechnet hatten. Goerdeler, Leber und die Wehrmachtführung nutzten die Chance, sie entrissen der SS die Polizei, lösten den SD auf und gründeten einen neuen Geheimdienst, der dem Reichskanzler unterstellt war. Die Einheiten der WaffenSS wurden der Wehrmacht eingegliedert. Sie war nun wirklich der einzige Waffenträger des Reichs. Die SS wurde in einen Privatverein verwandelt. Das Tragen von Waffen war ihren Mitgliedern verboten. Viele verließen die Schutzstaffel, zuerst tausende von Polizisten. Bald war die SS zu einem Verein geschrumpft, der sich mit germanischen Göttern und nordischen Heldengeschlechtern beschäftigte. Manche Zeitungen begannen Witze zu reißen über den schwarzen Orden. Aber noch lebte die SS vom Verdienst Himmlers, die sicher geglaubte Niederlage im Krieg verhindert zu haben.
    Eines Tages zeigte Kaisers Gesicht ein breites Grinsen. »Sie werden es nicht glauben, Herr Werdin. Die lassen Sie laufen. Aber von mir wissen Sie es nicht.«
    Die Botschaft drang kaum in die Dumpfheit, in die Werdin seit Irmas Brief gefallen war. Dann erschien der Staatsanwalt. Er stand in der Tür, zog ein Dokument aus seiner Aktentasche und sagte freundlich: »Herr Werdin, wir verzichten auf eine Strafverfolgung.«
    Werdin saß auf seinem Bett und blickte zu ihm hoch: »Warum?«
    »Ich darf Ihnen nicht alles erzählen, aber so viel sollen Sie wissen: Erstens, wir tauschen Sie aus gegen einen deutschen Agenten, der vor zwei Monaten in den Vereinigten Staaten verhaftet worden ist. Das Klima zwischen unseren beiden Regierungen hat sich verbessert, Sie profitieren davon. Zweitens, gestatten Sie mir diese persönliche Bemerkung, Dankbarkeit ist vielleicht das falsche Wort, und doch habe ich den Eindruck, wir schulden Ihnen etwas. Was auch immer zu den Ihnen bekannten Ergebnissen geführt hat, Sie waren der Auslöser. Seit Himmler und seine SS-Generale tot sind, bereitet es einem wieder Freude, in der deutschen Justiz zu arbeiten.«
    Der Austausch sollte im neutralen Genf stattfinden. Die Delegationen aus Washington und Berlin trafen sich in einer gesperrten Flughalle. Die Amerikaner begleiteten einen kleinen Mann mit einer großen Hakennase. Er sah aus wie die Nazikarikatur eines Juden. Der Mann saugte nervös an einer riesigen Zigarre. An seiner Seite stand Stan Carpati, Pomade im gut frisierten Haar. Seine Augen sicherten die Szenerie, als er Werdin erkannte, winkte er ihm zu.
    Es war eine lächerliche Szene. Werdin und der deutsche Agent liefen auf Kommando gleichzeitig aneinander vorbei zur jeweils anderen Gruppe. Werdin sah die klugen Augen des kleinen Manns, als er ihn passierte. Er zeigte keine Regung. Carpati begrüßte Werdin mit Handschlag. »Unser Flugzeug startet in einer halben Stunde. Bald sind Sie daheim.«
    Werdin schüttelte den Kopf. Nein, daheim würde er nie wieder sein.
    »Crawford und Dulles erwarten Sie ungeduldig in Washington. Sie wollen hören, wie Sie das hingekriegt haben?«
    »Was hingekriegt?«
    Carpati schaute ihn verblüfft an. »Na ja, das mit Himmler und seiner Kamarilla.«
    Werdin blickte ihn an, wollte etwas sagen. Es ging nicht. Der Zwang überwältigte ihn, er lachte aus vollem Hals.
    Auf dem Rückflug erklärte er Carpati, er würde kein Wort wechseln mit Dulles und Crowford. Er bitte um Verständnis, es sei geschehen, was sie von ihm gefordert hatten. Und nun sollten sie ihn in Ruhe lassen. Carpati stutzte, dann lächelte er. Er nickte. »Wo wollen Sie hin?«
    »Zurück nach Tierra del Sol«, erwiderte Werdin.
    Carpati nickte.

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