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Der 26. Stock

Titel: Der 26. Stock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Enrique Cortés
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gleich wieder abgenommen.
    »Alberto, komm rauf.«
    Veras Stimme! Erleichtert atmete er auf. Auf dem Weg zum Aufzug spürte er einen starken Druck im Magen. Was da gerade passierte,
     verstieß gegen alle Logik, es war einfach absurd.
    Als er oben aus dem Fahrstuhl trat, fiel sein Blick als Erstes auf die Frau, die er liebte. Sie stand in der Wohnungstür und
     versuchte mit mehreren Mullbinden das Blut zu stillen, das ihr die Arme hinunterrann.
     
    Eine Viertelstunde später schlug Alberto im Erdgeschoss die Aufzugtür hinter sich zu und eilte zum Wagen. Sein Gehirn suchte
     fieberhaft nach einer Erklärung für das, was in Veras Wohnung vorgefallen war. Als er in den Mercedes stieg, musste er jedoch
     einsehen, dass es nichts zu erklären gab. Er ließ den Motor an, und während er seinen Wagen über den Asphalt jagte, erschien
     vor seinem geistigen Auge Buchstabe für Buchstabe ein alter Spruch: »Wenn die Lösung nicht im Bereich des Rationalen zu finden
     ist, bleibt nur noch das Absurde.« Und ins Zentrum des Absurden würde er sich jetzt begeben.
    Zwanzig Minuten später hielt Alberto am Rand eines menschenleeren Gehwegs. Im Licht des Vollmonds lag das Büroviertel verlassen
     vor ihm. Auf den hundert Metern, die ihn noch von dem Gittertor trennten, dachte er an Vera. Er würde eine Erklärungvon ihnen verlangen. Sie hatten versprochen, sie aus dem Spiel zu lassen.
    Alberto blieb stehen und sah hoch zu dem riesigen Wolkenkratzer aus Beton und Glas. Plötzlich vernahm er ein Motorgeräusch,
     das schnell näher kam. Er konnte sich gerade noch in die Büsche retten. Niemand durfte ihn kommen sehen. Er wollte keine Mitwisser.
     Kurz drauf bremste ein alter Kleinbus vor dem Tor. Das musste die Putzmannschaft sein. Während er darauf wartete, dass die
     Nachtwächter die automatische Türöffnung aktivierten, betete Alberto zum Himmel, dass er ihm für ein paar Momente beistand.
     Dann rannte er geduckt hinter dem Kleinbus her, wobei er um ein Haar von den sich wieder schließenden Gitterstäben zerquetscht
     worden wäre. Er keuchte. Seine letzte sportliche Anstrengung lag Jahre zurück. An der Einfahrt zur Tiefgarage vorbei, lief
     er, so schnell er konnte, auf einen Nebeneingang zu, den nur die Sicherheitsbeauftragten und diejenigen kannten, die ebenso
     lange für das Unternehmen arbeiteten wie er. Hoffentlich traf er oben keinen an. Hoffentlich war alles nur ein Albtraum gewesen.
    Genau 32   Minuten später verschwand Alberto Hernán, ohne die geringste Spur zu hinterlassen.

I
Fragen

1
    »Sieben Uhr, Kleine , für heute ist Feierabend. Den Bericht für Señor Hernán hast du ja hoffentlich fertig.«
    Kurz drohte Rai Isabel noch mit dem Finger, dann zog er die Bürotür zu und war weg.
    Isabel schob ihren Drehsessel zurück. Sie hasste es, wenn dieser Idiot sie »Kleine« nannte. Warum man ausgerechnet Rai Lara
     zum stellvertretenden Abteilungsleiter ernannt hatte, war ihr ein Rätsel. Für Human Resources fehlte ihm wirklich das nötige
     Fingerspitzengefühl. Abgesehen von dem Ärger wegen Rai war Isabel Alvarado mit ihrer Arbeit jedoch ganz zufrieden, und das
     Büro war so etwas wie ihr zweites Zuhause: An den Wänden hingen Fotos von ihrer Familie, den Reisen mit ihrem Bruder und ein
     Bild, das sie mit ihrem Exfreund im Retiro-Park zeigte.
    Isabel stand auf und begann ein paar Akten in ihre Arbeitstasche zu packen. Sie würde zu Hause weiterarbeiten müssen; der
     Bericht für Señor Hernán war von entscheidender Bedeutung, und sie wollte ihr Bestes geben. Ihr Psychologiestudium hatte sie
     darauf vorbereitet, unter allen Bewerbern diejenigen aussuchen zu können, welche die Anforderungen des Unternehmens optimal
     erfüllten. Die Geschäftsführung hatte das Profil der gesuchten Mitarbeiter klar formuliert: Sie sollten nicht übermäßig extrovertiert,
     leistungswillig und möglichst gut ausgebildet sein, vor allen Dingen aber bereit, dauerhaft im Unternehmen zu bleiben. Alberto
     Hernán, der Chef der Human-Resources-Abteilung, hatte seinerzeit Isabel persönlich interviewt, als sie sich über die Stellenbörse
     der Universität beworben hatte.
    »Señorita Alvarado«, hatte Hernán damals zu ihr gesagt, »Siesind weder die Jahrgangsbeste, noch sprechen Sie mehrere Fremdsprachen. Und Erfahrung haben Sie auch keine. Warum, glauben
     Sie, sollte ich Sie und keinen anderen Bewerber einstellen?«
    Isabel hatte keine Sekunde überlegt. »Ich denke, dass Sie mich einstellen sollten, weil ich

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