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Der 26. Stock

Titel: Der 26. Stock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Enrique Cortés
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Zettel geschrieben, die Kopfschmerzen, an denen die Kleine litt, seien ernster als angenommen. Sie gehe,
     um sie nicht leiden sehen zu müssen. Das war ein harter Schlag für Mateo, aber er gab nicht auf. María war seine einzige Enkelin,
     und er betete jeden Tag, die Tests mögen ergeben, dass die Ärzte sich getäuscht hatten und es sich doch nicht um einen Tumor
     handelte.
    Isabel schloss ihren Wagen auf und legte die Arbeitstasche auf den Beifahrersitz. Der Motor sprang erst nach mehreren Versuchen
     an. Hoffentlich hielt der alte Ford noch eine Weile durch. Sonst würde sie die Ägyptenreise streichen müssen, die sie und
     Teo für den Sommer geplant hatten, und das wäre jammerschade. Als der Wagen endlich ansprang, dachte sie wieder an diesen
     merkwürdigen Zufall, der sich jeden Abend aufs Neue einstellte. Es war egal, ob sie sich früh auf den Heimweg machte oder
     als Letzte von allen, und es spielte auch keine Rolle, ob sie alleine ging oder in Begleitung: Egal, welcher der drei Aufzüge
     kam, immer lächelte ihr Mateo entgegen. Es war, als könnte der Fahrstuhlführer die Steuerung manipulieren, um sich einen kleinen
     Plausch mit ihr zu gönnen.
    Isabel fuhr durch das Gittertor, welches das Firmenareal von der Umgebung abriegelte, und reihte sich in den Verkehr ein.
     Als sie an der ersten roten Ampel hielt, sah sie im Rückspiegel noch einmal die gewaltigen Umrisse des Gebäudes. Ein Hochhaus
     mit 28   Stockwerken, über 100   Meter hoch, das den Hauptsitz eines der großen Konzerne beherbergte, von deren Stabilität die Wirtschaft des Landes abhing.
     Glas, Stahl und Beton formten eine majestätische Silhouette, die nur durch einige Gerüste gestört wurde – Renovierungsarbeiten,
     die wohl noch Monate dauern würden. Der Wolkenkratzer war Ende der 1970er Jahre von einem Investor aus Nordspanien geplant
     worden und sollte nach seiner Vorstellung als gigantisches Bürogebäude dienen. Seine Nachfolger hatten seinen Traum Wirklichkeit
     werden lassen. Nun gehörte der monumentale Bau einem Konzern mit zahlreichen Filialen im In- und Ausland, dessen Vorstand
     aus Sicherheitserwägungen heraus großen Wert auf Anonymität legte.
    Isabels Ford kam nur langsam vorwärts. Der zähe Verkehr würde sich erst auflösen, wenn sich die großen Bürobauten geleert
     hatten. Neben den Büroangestellten überquerten nur die Kunden eines nahen Einkaufszentrums die Zebrastreifen. In Madrids größtem
     Geschäftsviertel lebten nicht viele Menschen. Die Konzerne zahlten exorbitante Mieten, um sich dort Seite an Seite neben ihren
     Mitbewerbern niederlassen zu können, Wohngebäude wären reine Platzverschwendung gewesen.
    Nach fast einer halben Stunde erreichte der alte Ford endlich eine der Hauptverkehrsadern Richtung Norden. Isabel entspannte
     sich und schaltete die Scheinwerfer ein. Sie mochte es nicht, wenn es so früh dunkel wurde. Selbst in einer Stadt, deren Himmel
     den Wolkenkratzern und Handymasten gehörte, fühlte sie sich bei Tageslicht wohler, vor allem, wenn sie an ihren Bruder dachte.
     Teo ging werktags jeden Nachmittag in die Schule. Der Unterricht fand in einem Zentrum für Behinderte statt, das von der Stadt
     finanziell unterstützt wurde. Isabel hatte einen Teil der Gebühren zu tragen, aber wenn man bedachte, wie sehr Teo davon profitierte,
     war es das durchaus wert. Über ein vom Zentrumorganisiertes Eingliederungsprogramm hatte er eine Stelle bei der Reinigungsfirma O’Reilly & Söhne gefunden, die zufällig
     auch für die Reinigung des Hochhauses zuständig war. Er war schon immer ein guter Junge gewesen, und seine Arbeitgeber zeigten
     sich sehr zufrieden mit ihm. Isabel gefiel der Gedanke, dass gerade Teo jeden Abend ihr Büro sauber machte und Vanillearoma
     versprühte. Sie hatte allerdings Schuldgefühle, weil sie ihn weder zur Arbeit noch zum Kurs bringen konnte. Dass er allein
     mit der U-Bahn fahren musste, machte ihr Sorgen. Sie wollte nicht, dass ihm etwas zustieß. Sie war nur ungern nach Madrid gezogen, aber
     als ihre Mutter starb, war ihr nichts anderes übrig geblieben. In ihrem Städtchen gab es keine Arbeit für eine Psychologin,
     und erst recht nicht für einen behinderten Jugendlichen, den zwar alle freundlich behandelten, dem aber niemand einen Lohn
     zahlen wollte. Erfreulicherweise war Teo glücklich hier, und es machte ihm nichts aus, alleine durch die Stadt zu fahren.
     Isabel schaltete das Radio ein. Am Samstag war Teos Geburtstag: ein weiterer Schritt

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