Der 4-Stunden-Koerper

NFL Combine, Teil 1: Vorbereitung – Höher springen
    Je mehr Technik man hat, desto weniger braucht man sich darum zu sorgen.
    Pablo Picasso
     
     
    Garden State Industrial Park, Wyckoff, New Jersey
     
    »Was ist das?«, fragte ich.
    Tom, dessen Arme kräftiger als meine Beine waren, rieb sich zwischen zwei Durchgängen mit Pull-Downs etwas auf die Ellenbogen.
    »Das ist ein Einreibemittel für Pferde.«
    Ha, ha – na klar.
    Der Geruch war so stark, dass er aus einer Entfernung von über drei Metern meine Nebenhöhlen befreite. Ich bahnte mir einen Weg durch die Sportler, um zu dem Regal zu gelangen, wo die Flasche stand.
    »McTarnahans blaue Lotion zum Einreiben«
Methylsalicylat 3 Prozent
Menthol 1,7 Prozent
Campher 1,7 Prozent
    Auf dem vorderen Etikett prangte ein großer Pferdekopf mit im Winde wehender Mähne. Es war tatsächlich ein Einreibemittel für Pferde.
    Im Fitnessstudio von Joe DeFranco, das sich im hinteren Bereich eines Industriegebiets neben einer Chevrolet-Niederlassung versteckte, kümmerte man sich nicht um die Popularität der Hilfsmittel, sondern benutzte sie einfach. Wenn etwas funktionierte und legal war, war es in Ordnung.
    Schnelleres Rennen: Wissenschaft und Geschäft
    Das NFL Scouting Combine ist das ultimative Bewerbungsgespräch.
    Einmal jährlich im Februar werden die 330 besten Footballspieler ins Lucas Oil Stadium in Indiana eingeladen. Dort nehmen sich die besten NFL-Trainer und Talentscouts eine Woche Zeit, um ihren Wert zu taxieren. Ganz oben auf der Wichtigkeitsliste
steht das »Messbare« – sprich: physische Tests, anhand derer die 330 Spieler miteinander verglichen werden können. Diese Tests umfassen einen Hochsprung aus dem Stand, einen 36-Meter-Sprint (der sogenannte 40-Yard-Sprint, Anm. d. Übers.), eine Geschicklichkeitsübung mit drei Kegeln und Bankdrücken nach Wiederholungshäufigkeit mit 100 Kilogramm.
    Bei der NFL-Draft, die später in der Radio City Music Hall stattfindet, können die Teams dann erstmalig Angebote machen und Verhandlungen mit einzelnen Spielern führen. Die Spieler werden in sieben Runden ausgesucht. Mit wenigen Ausnahmen gilt dabei: Je früher man eingekauft wird, desto mehr Geld zahlen sie einem.
    Wie stark schlagen sich die Combine-Ergebnisse tatsächlich in der Spielleistung nieder? Ziemlich stark. Ein paar Zentimeter oder eine Fünftelsekunde können zwischen Millionen von Dollar und überhaupt nichts entscheiden.
    Beinahe sämtliche Spieler, die am Combine teilnehmen, stehen bei Sportagenten unter Vertrag; deren Job ist es, dafür Sorge zu tragen, dass ihre Klienten einen möglichst hohen Marktwert erzielen. Bei den Vertragsgesprächen vieler Topagenten, die darauf aus sind, die Crème de la Crème abzuschöpfen, fällt immer wieder ein Name: »Wenn Sie bei mir unterschreiben, kann ich Sie bei DeFranco trainieren lassen.«
    Joe DeFranco, der Yoda des Combine, ist in erster Linie dafür bekannt, dass er Monster schafft, die höher springen und schneller rennen, als es ihnen eigentlich möglich sein dürfte. Die NFL hatte sogar die Regeln ändern müssen, um mit ihm Schritt zu halten. So wurde beispielsweise die Drei-Kegel-Übung eingeführt.
    Die Regeln der Drei-Kegel-Übung sind ganz klar: Zunächst muss sich der Sportler in eine Dreipunkt-Stellung hinter der Linie begeben (beide Füße und eine Hand auf dem Boden), genauso wie beim Start des 36-Meter-Sprints. Dann muss er fünf Meter rennen, die Seitenlinie mit der rechten Hand berühren ( nicht mit der linken), dann sofort zurück rennen und die Startlinie mit der rechten Hand berühren. Zum Schluss sprintet er über die gegenüberliegende Linie.
    Einer von Joes Sportlern, Mike Richardson vom Team der Universität von Notre Dame, legte die schnellste Drei-Kegel-Übung hin, die je bei einem offiziellen Combine oder Pro Day gemessen wurde: 101 6,2 Sekunden. Joe erklärt, wie er das geschafft hat:
    Die Regeln des Tests schreiben vor, dass man beide Linien mit der RECHTEN Hand berühren muss. Ich stellte fest, dass es wesentlich effizienter wäre, beim Absolvieren dieses Tests eine weniger gebräuchliche »linkshändige« Position einzunehmen… Kurz gesagt: Die linkshändige Position erlaubt es dem Sportler, die ersten neun Meter mit zwei Schritten weniger hinter sich zu bringen. Wenn man über ZEHNTELSEKUNDEN spricht, machen zwei Schritte einen gewaltigen Unterschied! Zwei Schritte weniger
können im Ergebnis vier Sekunden weniger bringen. Und wenn wir über die NFL Combine Tests