Der 48-Stunden-Mann (German Edition)
vor die Nase gesetzt. Zumindest kann man sich Jill leicht merken, mit ihrem dicken Bauch und allem.“
„Gibt es bei ihr schon Neuigkeiten?“, fragte Hannah.
„Nein. Aber jetzt kann es jeden Tag so weit sein. Die arme Kleine. Louise wünscht sich, dass sie bis zu ihrem Geburtstag durchhält, aber Jill will es hinter sich bringen. Sie ist so schlank. Bestimmt wird sie nach einer Woche wieder genauso viel wiegen wie vor ihrer Schwangerschaft. Das finde ich richtig gemein.“
Kyle drückte ihre Hand. „Jill ist wirklich ein feiner Mensch, aber so klein, dass Craig sie sicher regelmäßig im Haus verliert. Da ist es mir viel lieber, dass du genau so bist, wie du bist.“
Nick sah ihn erstaunt an. „Sehr charmant, Kyle. Denkt ihr schon wieder daran?“
„Na klar, und es ist eine Begabung, die ich mit all meinen Brüdern teile.“ Er verzog den Mund, als seine gute Laune ihn verließ. „Nicht, dass uns das als Teenagern viel genutzt hätte.“ Mit leerem Blick starrte er vor sich hin. „Wir konnten immer alle Mädchen haben, die wir wollten, aber das machte es nicht im Geringsten leichter, nach Hause zu gehen. Ich weiß noch, dass ich immer geglaubt habe, nichts könnte schlimmer sein als meine Eltern, die sich anschrien, oder mein Dad, der mich verprügelt hat. Und dann war eines Tages unsere Mutter verschwunden, ohne auch nur eine Nachricht zu hinterlassen. Da habe ich gemerkt, dass es noch sehr viel schlimmer kommen konnte.“
Hannah erinnerte sich, dass sie die Geschichte schon einmal gehört hatte. „Sie hat euch verlassen, weil dein Vater Louise heiraten wollte?“
„Ja. Nach all den Jahren, in denen er sich durch die Betten gevögelt hat, war der alte Herr schließlich bereit, sich an eine Frau zu binden. Unglücklicherweise war das nicht seine Frau.“
„Das tut mir leid.“
„Du kannst nichts dafür, und auch Louise werfe ich nichts vor. Schuld sind meine Eltern. Mein Vater sowieso, aber auch meiner Mutter nehme ich einiges übel. Sie hätte mit ihren Kindern in Kontakt bleiben und zumindest eine Nachricht hinterlassen können.“ Er klang bitter.
Hannah schob ihren Eisbecher von sich, ohne ihn geleert zu haben. „Wenn ich dich und deine Brüder ansehe, denke ich immer, dass ihr ein perfektes Leben hattet. Aber wie es aussieht, trifft das auf keinen von uns zu. Ich wurde adoptiert, als ich erst ein paar Tage alt war. Meine Eltern waren fantastisch, jedenfalls soweit ich mich noch an sie erinnern kann. Aber sie sind gestorben, als ich vier war.“
Kyle beugte sich über den kleinen Tisch und umschloss ihre Hand. „Wenn wir von dir gewusst hätten, wären wir gekommen und hätten dich gerettet.“
Sie schluckte bewegt. „Das glaube ich dir. Danke.“
Er ließ ihre Hand los und lehnte sich wieder zurück. Hannah stieß Nick mit der Schulter an und schmiegte sich an ihn, als er den Arm um sie legte. Vor weniger als einer Stunde hätten sie beinahe miteinander geschlafen. Jetzt saß sie hier und gab Geheimnisse aus ihrer Vergangenheit preis, obwohl sie sonst nie über ihre Kindheit sprach. Was war mit ihr los? Alles veränderte sich so rasend schnell, dass sie kaum noch mitkam.
Da war Nick, zu dem sie sich wahnsinnig hingezogenfühlte, auch wenn sie wusste, dass es ein Fehler war. Sie bedauerte nicht im Geringsten, was sie getan hatten – nur das, was sie nicht getan hatten. Wie war das möglich? Sie hatten doch erst ein paar Tage miteinander verbracht. Hannah fürchtete sich vor der Kraft ihrer Gefühle, die sie gar nicht so genau bestimmen wollte, auch wenn sie längst wusste, was los war.
Nick war alles andere als ein gesetzestreuer Bürger … und praktisch ein Fremder für sie. Dennoch vertraute sie ihm. Das mochte blauäugig sein, aber wie konnte jemand, der so zärtlich und freundlich war, so besorgt und im Grunde ehrenhaft, auf der falschen Seite des Gesetzes landen?
Ihr fielen die Geschichten ein, die er ihr aus seiner Vergangenheit erzählt hatte. Sein Vater. War er der Grund dafür?
„Ich finde es toll, dass du ein Cop bist wie deine Brüder“, sagte Sandy.
Hannah lächelte. „Mir ist dabei eher ein bisschen mulmig. Es ist, als wäre mein Schicksal vorherbestimmt.“
Sandy wandte sich an Nick: „Ich weiß, dass du in der Immobilienbranche tätig bist. Warst du auch auf dem College?“
„Ja, ich bin diplomierter Volkswirt.“
Die anderen redeten weiter, während Hannah sich fragte, ob Nick wirklich ein Examen gemacht hatte. Er verflocht Lügen mit Wahrheit, und sie
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