Der 7. Lehrling (German Edition)
Marmelade und Honig beladen wieder zum Tisch zurückkam, hatte Samuel schon die Rolle des Aufpassers übernommen. Verwundert setze sich Adina zu ihm.
„Guten Morgen, Samuel“, begrüßte sie ihn freundlich. „Hast Du überhaupt geschlafen oder die ganze Nacht neue Pläne ausgeheckt?“
„Guten Morgen, Adina“, grüßte Samuel zurück. „Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Viel mehr als zwei oder drei Stunden werden es wohl nicht gewesen sein. Aber Du siehst ja, wie viele Rückkehrer noch ohne eine rechte Arbeit hier herumsitzen – die möchte ich natürlich nicht enttäuschen.“ Ein verschmitztes Lächeln breitete sich über sein Gesicht aus.
„Du belastest Dich viel zu sehr“, mahnte Adina. „Du musst doch auch einmal ausschlafen!“
„Kunststück! Linnea hilft mir schon, wo sie kann, aber eigentlich gibt es Arbeit genug für acht Hände ...“
Adina gab Grian eine Brötchenhälfte mit Marmelade, und die kleine Hexe begann mit ernsthaftem Gesicht und all ihrem künstlerischen Geschick, den leckeren Aufstrich auf dem Tisch, ihrem Lätzchen und in ihrem Gesicht zu verteilen. Schließlich aber fand sie doch noch ihren Mund und nagte genüsslich an ihrem Frühstück herum.
„Was wäre denn“, schlug Adina zwischen zwei Bissen vor, „wenn ich Dir ein wenig helfe?“
„Das wäre schon eine echte Erleichterung, aber Du hast doch in der Bäckerei schon alle Hände voll zu tun.“
„Ich könnte Heliane die Leitung der Bäckerei übertragen. Sie ist gestern morgen von der Suche zurückgekehrt und sicher ausgeruht genug.“
„Natürlich! Ich habe Heliane gestern zwar auch schon gesehen, aber auf diese Idee bin ich noch gar nicht gekommen! Das wäre wirklich perfekt, Du könntest die Bestandslisten überwachen und zusammenführen. Das ist eine Arbeit, die mich immer bis tief in die Nacht beschäftigt. Und meine Augen sind nicht mehr die allerbesten ...“
„Sehr gern helfe ich Dir dabei. Ich sage gleich nachher Heliane alles, was sie wissen muss. Ab morgen stehe ich Dir dann voll und ganz zur Verfügung.“
„Wundervoll!“ Samuel drückte Adinas Hand. „So machen wir es! Jetzt muss ich mich aber sputen, die Arbeit wartet nicht!“ Schon war er aufgestanden und begann einige Tische weiter ein Einweisungsgespräch mit einem Rückkehrer.
Vorbereitungen am Stauf und stinkende Spione
Als Milan am späten Nachmittag mit seinen Gefährten auf dem Gipfel des Stauf ankam, war einer der Späher bereits da. Der Stauf war ein alter Vulkan, der wie ein umgedrehter Kelch mitten aus der Landschaft südlich der Straße von Enden nach Keel emporragte. Die Bewohner der Gegend hatten ihm wegen seiner Form vor etlichen Generationen den Namen „Stauf“ gegeben, was nichts anderes als ein altes Wort für Becher oder Kelch war. Und eine gewisse Ähnlichkeit war tatsächlich nicht zu bestreiten, wenn man sich einen umgedrehten Kelch vorstellte. Für Milan und die anderen zählte allerdings nur, dass fast alle Befreier den Stauf kannten oder ihn zumindest nicht verfehlen konnten, wenn sie ostwärts an den Bergen bei Enden vorbei nach Norden ritten.
Oben auf dem Stauf erhoben sich die Reste einer ehemals stolzen Festung. Ob sie vor ihrer Zerstörung dem Schutz der Bauern oder eher der Überwachung des alten Handelsweges zwischen Enden und Keel gedient hatte, wusste heute niemand mehr.
Milan und die anderen machten es sich im alten Innenhof der Burgruine gemütlich, ließen die Pferde im Schutz der Mauern grasen und warteten auf die Ankunft der beiden anderen Späher.
Die Sonne war noch nicht untergegangen, als die beiden kurz nacheinander ankamen. Einer nach dem anderen berichtete von seinen Erkundungen. Als letzte war Thordis an der Reihe, sie hatte den mittleren der drei Orte für einen möglichen Überfall auf die
Horden
ausgekundschaftet.
„Der Weg führt vom freien Feld in einen lichten Buchenwald, der aber mit der Zeit immer dichter wird. Das Gelände steigt langsam an und wird nach einer Weile immer felsiger. Dann kommt die Stelle, die Samuel gemeint hat. In kurzen Abständen liegen steile Bodenwellen hintereinander, und überall sind Hohlwege hineingeschlagen, durch die der Fahrweg führt. Ziemlich zum Ende dieser merkwürdigen Wellen kommt ein sehr langer flacher Abschnitt, aber direkt dahinter ein fast ebenso langer Hohlweg. Dann noch zwei kurze Wellen, danach läuft das Ganze wieder in eine flache Ebene aus.“
Thordis trank einen Schluck. Milan dachte, sie hätte ihren Bericht beendet, und wollte
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