Der 7. Lehrling (German Edition)
unglaublich hübsch, wenn Du wütend bist!“
Das war auch für Mearas Zorn zu viel. Er löste sich von einer Sekunde zur anderen in Rauch auf, und sie fiel York lachend um den Hals. „Du bist ein unverbesserlicher Idiot! Schön, dass Du da bist!“
York nahm sie in die Arme, aber er bereute sofort zutiefst, dass er damit seine Deckung aufgegeben hatte. Mit der gelernten Kraft des Zimmermanns verpasste Meara ihm einen äußerst schmerzhaften Boxhieb auf die kurzen Rippen, sodass ihm auf der Stelle die Luft wegblieb und er stöhnend zu Boden sackte.
„York“, flötete sie, während sie so tat, als würde sie sich Staub von den Händen wischen.
„Was?“, ächzte er mit verzerrtem Gesicht und schaute zu ihr hoch.
„Das war fürs Erschrecken.“
„Danke“, ächzte es von unten.
„Und noch etwas, York“, säuselte Meara weiter.
„Was denn noch?“
„Gut, dass Du nicht geschrien hast, es könnten ja immer noch ein paar Krieger der
Horden
in der Gegend sein.“
„Sehr witzig“, tönte es säuerlich. „Also gut“, York streckte seine Hand nach oben. „Diese Runde geht an Dich. Hilfst Du mir hoch?“
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„Wie weit ist es von hier nach Enden?“ wollte York wissen. Sie waren zusammen bis zur Höhle hinabgestiegen, in der Meara ihr Pferd untergestellt hatte. Ein kleines Feuer warf sein unruhiges, aber warmes Licht an die Wände.
Meara hatte gerade von ihrem Brot abgebissen und kaute noch. „Etwas mehr als einen Tag“, antwortete sie undeutlich mit vollem Mund, schluckte und setzte noch einmal neu an: „Entschuldige, ich war so hungrig. Auf Pferden etwas mehr als einen Tag. Warum?“
„Dann könnte ich einmal richtig ausschlafen, denn sie werden die Stadt nicht vor übermorgen angreifen.“ Er trank einen Schluck aus seinem Wasserschlauch, bevor er nachdenklich fortfuhr. „Sie greifen immer morgens an.“
Meara nickte. Bei der Vorstellung von all dem Leid, das unvermeidlich über Enden hereinbrechen würde, war ihr der Appetit vergangen. „Können wir ihnen nicht irgendwie helfen?“
York schüttelte den Kopf. „Sie werden sicher schon von den
Horden
gehört haben, und wer fliehen wollte, ist bereits geflohen.“ Er nahm noch einen Schluck aus dem Schlauch. „Aber es gab bisher in allen Städten auch ein paar, die glaubten, sie könnten gegen die fremden Krieger siegen.“ Traurig schüttelte er den Kopf und sah Meara an. „Wir könnten sie nicht überzeugen, erst recht nicht wenn sie erfahren würden, dass wir selbst in wenigen Tagen dasselbe planen. Mach Dir bitte keine Vorwürfe. Ich bin sicher, dass wir nichts verändern würden.“
Meara nickte wieder. Sie war froh, sich endlich einmal wieder mit einer vertrauten Seele austauschen zu können. York war ihr bester Freund, auch wenn sie sich selten gesehen hatten, seit York vor einigen Jahren auf Wanderschaft gegangen war. „Du hast sicher recht.“
York klatschte in die Hände. „Genug dunkle Gedanken für heute! Erzähl mir von Deinen Erlebnissen. Ich will alles wissen!“ Er legte sich seinen Mantel als Kopfkissen zurecht und schaute Meara über das Feuer hinweg an.
Meara strich sich abwesend eine blonde Strähne aus dem Gesicht, während sie überlegte, wo sie anfangen sollte. Das Feuer hüllte ihr Gesicht in warmes Licht, und auf einmal war es York, als würde er Meara zum erstem Mal in seinem Leben sehen.
Ist das dasselbe Mädchen, das mit mir zusammen so viele Streiche ausgeheckt hat?
, dachte er bei sich.
Kaum zu glauben!
Meara fing mit ihrer Geschichte bei Korbinians Ruf
Eilt herbei!
an, aber noch bevor sie bei ihrem Ungeschick im Torfmoor angekommen war, verrieten ihr die langen Atemzüge von jenseits der Feuerstelle, dass York tief und fest schlief. Sie betrachtete sein vertrautes, im Schlaf lächelndes Gesicht.
Morgen werde ich ihm von Hendrik erzählen
, beschloss sie. Dann legte sie noch etwas Holz nach und kuschelte sich in ihre Decke.
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Das Frühstück zog sich heute etwas länger hin als sonst, was aber nach der langen Feier nicht verwunderlich war. Umso mehr überraschte es Adina, dass Samuel noch vor ihr und Grian im Speisesaal war. Geschäftig lief er zwischen den Tischen hin und her und besprach sich mit zum Teil noch sehr müde aussehenden Magiern.
Adina setzte Grian auf einen Kissenstapel auf einer Bank, sodass sie über den Tisch das bunte Treiben beobachten konnte, und bat einen Freund, so lange aufzupassen, bis sie etwas zu essen geholt hatte. Als sie mit Rührei, Brötchen,
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