Der 7. Lehrling (German Edition)
Dorf, in dem gerade eine oder zwei Handvoll Zauberer und Hexen fleißig alte Schriften studierten, mündliche Überlieferungen zu Papier brachten und ihr Wissen vermehrten. Menschen ohne die
Gabe
lebten in Filitosa schon damals nicht. Trotz aller Abgeschiedenheit gelangte natürlich irgendwann die Kunde von den Vertreibungen auch hierher, und die kleine Gemeinschaft überlegte, was zu tun sei.
Kurzum: Damals wurde zum ersten Mal der Spruch
„Eilt herbei!“
ausgerufen, um allen, die mit der
Gabe
ausgestattet waren, eine Zuflucht anzubieten. Von überall her kamen die Magier, sodass der Platz in dem kleinen Dorf bald nicht mehr ausreichte. Filitosa wurde größer. Waldstücke wurden gerodet, Äcker angelegt und Häuser gebaut.
Am Ende dieses Jahres zur Zeit der Wintersonnenwende wurde ein großer Rat abgehalten. Und nach langer Überlegung wurde ein Beschluss gefasst, der für das Leben der Begabten von weitreichender Bedeutung war: Die
Gabe
sollte auch zukünftig zum Nutzen aller Menschen eingesetzt werden, allerdings nur noch im Verborgenen. Deshalb mussten von Stund' an alle Magier einen handwerklichen Beruf erlernen, um unentdeckt unter den anderen Menschen weiterleben zu können.
So wurde Filitosa zu dem, was es heute ist: unsere Heimat, unser Schutz, unser bestgehütetes Geheimnis. Seit unzählbaren Generationen hat kein Mensch ohne die
Gabe
mehr diesen Wald betreten. Sie gehen auf den Wegen vorbei, ohne von uns zu wissen oder auch nur zu ahnen, dass hinter den dichten Hecken etwas anderes sein könnte als tiefer Wald. All diejenigen in den umliegenden Dörfern, die schon einmal darüber nachgedacht haben wem dieser Wald eigentlich gehört, haben ihre Frage sofort wieder vergessen, weil ein Zauber es ihnen unmöglich macht, sich daran zu erinnern. Und auch wenn wir einmal etwas von den Bauern oder den Handwerkern der Umgebung benötigen, haben diese uns vergessen, sobald wir gegangen sind. Diese Zauber werden von sieben mal sieben der Lehrlinge aufrecht erhalten, die sich gerade in der Ausbildung befinden
Das, Adina, ist unsere Geschichte und unser Schicksal. Wir haben uns entschieden, unsere
Gabe
zu verleugnen. Wir belügen die Menschen, um nicht erkannt zu werden, aber wir versuchen an jedem einzelnen Tag, es an ihnen überall im Land wieder gutzumachen.“
Es war dunkel geworden. Korbinian erhob sich und nickte Adina zu. Dann strich er Grian, die schon lange in Adinas Arm schlief, sanft über die Wange, drehte sich um und ging mit langsamen Schritten zum Haupthaus zurück.
Adina saß noch eine Weile da und dachte über Korbinians Geschichte nach. Schließlich stand sie auf. Es wurde kalt, und wenn sie nicht wollte, dass Grian davon aufwachte, mussten auch sie jetzt ins Bett.
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Quentin ging im gleichmäßigen Tempo der Zugtiere neben dem Wagen her und beobachtete die Landschaft. Im Süden zog sich die ganze Zeit der Bergrücken hin, über den sie auf dem Weg nach Enden gekommen waren. Es war bald Mittag, aber noch immer sah nichts so aus, wie Amina ihm beschrieben hatte. Er war enttäuscht, dass noch immer kein größerer Wald vor ihnen erschien, kein kegelförmiger Berg am südlichen Horizont. Aber gleichzeitig fürchtete er sich auch vor dem, was kommen würde.
Er hatte selbst gesehen, wie rücksichtslos die Krieger mit denen umgingen, die nicht sofort und genau das taten, was von ihnen verlangt wurde. Was würde nur passieren, wenn die Fremden von York und den anderen angegriffen wurden?
In Gedanken malte er sich in schrecklichen Bildern aus, wie die
Horden
ihre Befreier vernichtend schlugen, viele von ihnen gefangen nahmen und den Rest in die Flucht jagten. Und die ganze Zeit mussten sie selbst dabei zusehen, weil sie an die Wagen gefesselt waren und nicht helfen konnten. Trotz der warmen Sonne fuhr im ein kalter Schauer über den Rücken. Langsam wusste er nicht mehr so recht, ob er sich über die geplante Befreiung überhaupt noch freuen sollte.
Falk ging wie immer auf der anderen Seite des Wagens. Er hatte die Lider gesenkt, aber auch er schien die Gegend genau zu beobachten. Quentin sah sich nach den Bewachern um, aber im Augenblick war niemand von ihnen in der Nähe.
„Falk?“, fragte er leise über den Wagen hinweg.
„Ja?“, kam es genauso leise zurück.
„Was meint Ihr, wird es gutgehen?“
Falk schaute Quentin erstaunt an. „Natürlich wird es gutgehen. Warum fragst Du?“
„Ich habe ein wenig Angst, dass York und die anderen es nicht schaffen werden.
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