Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der 7. Lehrling (German Edition)

Der 7. Lehrling (German Edition)

Titel: Der 7. Lehrling (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Hesse
Vom Netzwerk:
konnte sich anfangs kaum konzentrieren, aber der Tee begann langsam zu wirken, und Stück für Stück ging es besser voran. Nach der Wiederholung der theoretischen Grundlagen des Bewegungszaubers ging es zur Praxis über.
    „Gut. Jetzt wollen wir mal sehen, ob es klappt, was wir gestern geübt haben.“ Linnea stand auf, rückte einen Mörser auf dem großen Arbeitstisch zurecht. „Los geht’s. Schieb ihn weg.“ Linnea stellte sich an die Tischkante, zu der der Mörser sich bewegen sollte.
    Amina sprach leise die Formel und bewegte dazu die Finger, wie sie es gelernt hatte. Sie richtete ihren Blick starr auf den Mörser und wiederholte die Formel. Der Mörser erzitterte kurz und blieb dann stehen.
    „Nein, Kind, Du konzentrierst Dich nicht genug“, mahnte Linnea. „Noch einmal bitte.“
    Amina schloss die Augen und verdrängte mit Mühe alles, auch die Gedanken an Milan, aus ihrem Kopf, bis nur noch der Mörser vor ihrem geistigen Auge schwebte. Dann öffnete sie ihre Augen, bewegte die Lippen und Finger zur Zauberformel.
    Wie von einem Katapult abgeschossen raste der Mörser auf Linnea zu, aber die hatte schon damit gerechnet. Viel schneller, als man es ihrem Alter zutrauen würde, hatte sie die Hand erhoben. Der Mörser erstarrte wenige Zentimeter davor in der Luft und schwebte dann langsam zurück an seinen Ausgangspunkt.
    „Für den Anfang gut, aber viel zu stark“, lobte sie Amina. „Noch einmal, aber bitte mit mehr Gefühl und nur bis zur Tischkante. Du kannst doch eine alte Frau nicht so erschrecken!“
    Amina hatte sich selbst erschrocken über die Geschwindigkeit, mit der der Mörser losgeschossen war. „Entschuldige bitte, Linnea. Ich gebe mir mehr Mühe“, versprach sie.
    Etwas über eine Stunde später hatte sie es geschafft. Der Mörser blieb genau an der Tischkante stehen. „Gut gemacht, Amina!“, strahlte Linnea. „Jetzt werden wir den Schwierigkeitsgrad erhöhen.“ Sie stellte ihre beiden Teetassen zwischen den Mörser und die Tischkante. „Du hast jetzt ein gutes Gefühl für den Mörser. Nun wirst Du ihn um die Tassen herum zur Tischkante bewegen. Aber mach sie bitte nicht kaputt, ich habe sie schon lange Zeit und hänge sehr an ihnen“, mahnte sie mit einem Lächeln auf den Lippen.
    Amina fing langsam an zu schwitzen, obwohl es sich so abgekühlt hatte. Bei den ersten Versuchen war sie zu zaghaft, der Mörser blieb stehen. Dann wieder war sie zu stürmisch, und Linnea musste ihre Tassen mit einem Gegenzauber vor der Zerstörung retten. Aber mit der Zeit wurde es besser. Kurz vor Mittag holperte der Mörser in ungeschickten Ruckelbewegungen um die Tassen herum und blieb dahinter stehen.
    „Wunderbar, mein Kind! Du lernst sehr schnell! Ich habe zu meiner Zeit über eine Woche gebraucht, bis sich der Mörser überhaupt bewegte!“ Linnea war tatsächlich verblüfft über die Fortschritte, die Amina in so kurzer Zeit machte. Davon musste sie Korbinian berichten!
    „Du hast jetzt zwei Dinge gelernt. Erstens: Deine Gefühle wirken unmittelbar auf deine Zauberei. Sie können den Zauber verhindern, aber auch so verstärken, dass Du mehr tust, als Du willst. Du musst also alle anderen Gefühle verdrängen, wegschließen, wenn Du nicht willst, dass es ein Unglück gibt.
    Zweitens: Mit Zauberei greifst Du in den natürlichen Lauf der Dinge ein. Alles, was dadurch passiert, liegt ganz allein in Deiner Verantwortung! Wenn Du Dir dieser Verantwortung stets bewusst bist, wird Dir die Konzentration leichter fallen.
    Und nun machen wir eine Pause. Lass uns draußen auf der Bank etwas essen. Danach werden wir so lange weiter üben, bis der Mörser wie auf einer Seifenbahn an den Tassen vorbeirutscht. Je eher Du das schaffst, desto eher ist für heute Schluss!“
     
    #
     
    Am späten Nachmittag kam Meara an ihrer Ausgangsposition an. Ein kleines Städtchen im Südwesten des Landes, vielleicht sechs- bis siebenhundert Menschen, die hier wohnten. Zu klein für eine Stadtmauer, aber groß genug für ein geschäftiges Treiben.
    Meara streifte durch den Ort. Sie kam an verschiedenen Betrieben vorbei, ging durch Wohngebiete, bis sie schließlich auf dem Marktplatz landete. Plötzlich spürte sie ganz schwach die Präsenz, die Anwesenheit eines anderen Magiers. Sie setzte sich auf eine Bank und konzentrierte sich.
     
    Bereits in den ersten Jahren lernten die Magier, wie sie einander erkennen konnten. Es war eigentlich nichts anderes als eine sehr schwache Form der Kontaktaufnahme, wie Amina sie gerade

Weitere Kostenlose Bücher