Der 7. Lehrling (German Edition)
lagen entweder direkt auf dem Weg der Plünderer oder nur wenig abseits davon. Immer wieder Tote, Verwundete, niedergebrannte Häuser. In einigen Dörfern hatten die Bewohner sofort ihr Hab und Gut ausliefern wollen, aber die
Horden
waren fast nur auf Nahrungsmittel aus. Und auf – Handwerker. So seltsam das schien, in fast jedem Dorf, das einen oder mehrere Handwerksbetriebe hatte, waren Meister, Gesellen oder Lehrlinge verschleppt worden. Keine Frauen und Mädchen. Kaum Silber oder Gold. Immer nur einige Handwerker. Adina konnte sich keinen Reim darauf machen.
Mittlerweile war die Zahl der Verschleppten auf über zwanzig angestiegen. Das war schlimm für die Familien. Aber es war nichts im Vergleich zu den Raubzügen der Nordmänner. Die hatten jedes Mal eine breite Spur von Tod und Verwüstung hinter sich gelassen, wenn sie in das Land eingefallen waren, viel schlimmer, als die
Horden
es jetzt taten. Adina hatte in ihrer Lehrzeit einiges über sie gehört, auch wenn der letzte dieser Raubzüge glücklicherweise lange vor ihrer Geburt stattgefunden hatte.
Noch immer hatte sie keine Präsenz gespürt. Und ihre Blicke auf die Karte sagten ihr, dass auch die anderen den siebten Lehrling noch nicht gefunden hatten.
Vor zwei Tagen, am Sonntag, hatte sie ein Reiter der
4-Uhr-Speiche
aufgesucht. Nun, er konnte ihr natürlich kaum etwas Neues erzählen, schließlich wanderte sie selbst auf der Spur der
Horden
. Außer, dass Korbinian die Suche abbrechen würde, wenn es für irgendjemanden zu gefährlich schien.
Um sich selbst sorgte sich Adina nicht. So wie sie das sah, war sie fünf Tage hinter den
Horden
und damit in Sicherheit.
An diesem Morgen erreichte sie Ascheberg. Dasselbe Bild. Aufgeregte Menschen. Wieder eine Handvoll Handwerker verschleppt, wenige Erschlagene oder Verwundete. Die Viehbestände geplündert. Vor fünf Tagen waren die
Horden
weitergezogen. Für sie selbst also weiterhin keine Gefahr.
Hoffentlich fand sie wenigstens hier endlich einen Hauch von Magie ...
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Noch vor dem zweiten Frühstück kam Quentin mit vor Dreck starrender Kleidung, aber allen Kräutern bei der Mühle an.
Da stimmte etwas nicht! Das Wasserrad stand still, das Rolltor war zugeschoben. Niemand war zu sehen. Er stürmte in die Küche und fand dort Falk mit verzweifeltem Gesicht am Tisch sitzen. Quentin befiel eine panische Angst. „Was ist los? Warum läuft die Mühle nicht? Wo ist Medard? Falk, sagt bitte endlich: Was ist hier los?“
Falk hob langsam den Kopf, sah Quentin aus traurigen Augen an und sagte mit leiser Stimme: „Finja. Sie wacht nicht mehr auf. Sie wacht einfach nicht mehr auf ...“
Quentin war wie vor den Kopf geschlagen. War er zu spät gekommen? Dreckig, wie er war, rannte er die Treppe hinauf.
Finja lag in ihrem Bett, die Ringe unter den Augen waren noch dunkler, das Gesicht hatte die Farbe von Asche. Quentin kniete neben ihrem Bett nieder, umfasste ihr Handgelenk und fühlte einen ganz schwachen Puls. Den Sternen sei Dank!
„Finja, ich bin wieder da. Finja, ich habe alle Kräuter gefunden. Alle! Finja, hört Ihr mich, Ihr müsst weiter durchhalten, bitte. Haltet durch!“
Dann stand er wieder auf und lief mit Tränen in den Augen die Treppe hinunter. Er musste sich beeilen!
„Falk, könnt Ihr mir vielleicht den Mörser da vom Schrank geben? Danke!“ Quentin war am Spülstein und wusch die Kräuter. Kein Dreckkrümel durfte mehr daran sein! Dann holte er ein sauberes Geschirrtuch, legte die Kräuter hinein und tupfte sie sorgsam ab. Dann den Küchentisch abwischen. Dann alle Kräuter ausbreiten. Sortieren. Alles war bereit. Nur noch der Mörser.
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Als Quentin den Mörser berührte, schossen ihm Hunderte von Bildern durch den Kopf, aber er drängte sie zurück. Keine Zeit! Er schrubbte und wusch den Mörser, bis er glaubte, der Stein würde bereits langsam dünner. Dann trocknete er ihn sorgfältig und stellte ihn auf den Tisch. Er konnte beginnen.
Falk legte ihm ohne ein Wort von hinten eine Hand auf die Schulter und drückte sie sanft, so als wolle er ihm Erfolg wünschen. Dann verließ er die Küche und ging zu Finja hinauf. Er zweifelte noch immer daran, dass es funktionieren würde, aber er wollte dem Jungen die Hoffnung nicht nehmen.
Quentin arbeitete wie in Trance. Blatt für Blatt gab er die Kräuter in der richtigen Reihenfolge in den Mörser und zerstieß sie bis zur Unkenntlichkeit. Das Rezept war wie eingebrannt in seinem Kopf. Er zögerte
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