Der 7. Rabe (German Edition)
Stäbchen- oder Kartenspielen. Sogar einige Familien nahmen in der Gesellschaft ihres Rudels ihre Mahlzeit ein. Unter anderen Umständen hätte er dieses Bild als sehr heimelig und kaum anders als in Zwanzig Türme empfunden. Nun aber fixierten sie ihn alle mit ihren durchdringenden Augen und hielten in ihrem Tun inne, um seinen Weg zum Thron ihres Leitwolfes zu beobachten. Gewiss witterten sie seine Angst. Es hätte allerdings von einem kranken Verstand gezeugt, in Anwesenheit Farouches keine Furcht zu empfinden. Der Alpha lümmelte auf dem geschnitzten Zeichen seiner Macht, ein Bein lässig über eine Armlehne gelegt. Die wallende rotebraune Mähne umschmeichelte sein sündhaft schönes Gesicht. Er musste ein Höllengeschöpf sein, anders konnte es sich Randyn nicht erklären, dass er sich einerseits von dem Wolf angezogen und andererseits abgestoßen fühlte.
Er ist eine Bestie, ermahnte er sich. Lass dich nicht von seinem Aussehen beeinflussen.
„Oh, Besuch“, begrüßte ihn Farouche mit samtiger Stimme. „Und so hoher Besuch. Bist du gekommen, um mir beim Speisen Gesellschaft zu leisten, Randyn Rabe? Ich glaube, heute steht Geflügel auf dem Speiseplan.“
„Ich bin nicht hier, um mit dir Nettigkeiten auszutauschen, Schlächter. Du weißt, weswegen ich dich aufsuche.“
„Du möchtest mich auf Knien anflehen, dir deinen kleinen Bruder auszuhändigen, nicht wahr, Randyn?“
„Wenn das dein Preis ist?“ Randyn sank auf die Knie und legte die Unterhändlerfahne vor sich auf den Boden. „Ich bitte dich inständig, Raj mit nach Hause nehmen zu dürfen.“
Hinter sich hörte er die Wölfe leise lachen, doch er achtete nicht weiter auf sie. Seine Aufmerksamkeit war allein auf Farouche gerichtet, der ihn interessiert musterte.
„Lass mich überlegen, Randyn. Hm … Nein. Nein, ich glaube nicht, dass du das dürre Hühnchen mitnehmen darfst.“
Randyn sprang auf die Füße. „Er hat mit unserem Krieg nichts zu tun, Schlächter. Raj war zu jung, um Angriffe zu fliegen. Und als er alt genug war, schickte ihn Vater an die Hohe Akademie. Er hat nie auch nur einen Wolf angegriffen.“
„Er ist ein Rabe und allein das zählt.“ Mit gespieltem Interesse betrachtete Farouche seine Fingernägel. Randyn kämpfte um seine Beherrschung. Dies war der Feind, der seinem kleinen Bruder ein Messer in den Rücken gerammt und Raj diese qualvollen Schreie entlockt hatte. Er wagte sich einen Schritt weiter vor, bis er unmittelbar vor dem Thron stand. Jemand knurrte warnend aus den flackernden Schatten, aber Farouche winkte ab.
„Du hast ebenfalls einen Bruder, Schlächter. Kannst du nicht nachempfinden, dass ich mich um ihn sorge und ihn zurückholen will? Habt ihr ihn noch nicht genügend gefoltert? Einen unschuldigen Gelehrten und keinen Krieger …“
„Dann verstehst du vielleicht meinen eigenen Schmerz, Farres verkrüppelt auf einem Wildwechsel zu finden. Gefangen in einer eurer hinterhältigen Fallen.“
„Wir stellen keine Wolfseisen auf, Farouche. Oder hast du uns jemals ehrlos erlebt?“
„Es gibt immer ein erstes Mal.“ Farouches Miene hatte sich drastisch verfinstert. „Ich selbst habe drei Raben an Farres‘ Seite angetroffen. Sie wollten ihn töten. Du warst einer von ihnen.“
„Töten, ja. Aber wir haben diese Falle nicht aufgestellt. Wir wollten ihm vielmehr den Todesstoß versetzen und seinem Leiden ein schnelles Ende bereiten.“
Plötzlich sprang Farouche auf und brüllte. „Dann habe ich mir dieses Fangeisen nur eingebildet? Und Farres verkrüppelten Fuß gleich mit?“
Randyn wich erschrocken zurück. Der Mann war ja irre! Vollkommen irre!
„Nenn mir deine Forderungen“, bat er.
„Es gibt keine Forderungen, Rabe“, fauchte Farouche. „Dein kleines Hühnchen ist inzwischen das putzige Spielzeug meines Bruders. Er hat ihn als sein Eigentum markiert und wird sich solange mit ihm vergnügen, bis dein studierter Zwergrabe schlapp macht.“
„Markiert?“, flüsterte Randyn und spürte, wie seine Knie weich wurden. Wenn Rakden das erfuhr, würde diese Nachricht selbst seinen sonst so besonnenen Bruder aus der Ruhe bringen. An seine Eltern wollte er gar nicht erst denken.
Oh je, Mutter!
„Du siehst, ich kann dir Raj nicht zurückgeben, auch nicht wenn ich wollte. Er gehört meinem Bruder. Und Farres wird seine Rache gewiss auskosten.“
„Farouche …“
„Das war alles, was ich dir zu sagen habe. Verpiss dich mit deiner weißen Fahne. Und bete, dass ich niemals herausfinden
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