Der 7. Rabe (German Edition)
eindringlich. Eine Weile schwiegen sie sich an. Dann verzog sich der sinnliche Mund des Fremden zu einem Lächeln und entblößte dabei makellose spitze Zähne.
„Helft ihm auf.“
Hände tauchten wie aus dem Nichts auf und zerrten ihn unsanft auf die Füße. Hektisch schaute sich Raj um. Zwölf Gestalten befanden sich bei ihm auf der Lichtung. Wolfswandler! Einige trugen ihre Wolfsgestalt, andere hatten sich in Menschen verwandelt. Nicht seine Brüder hatten ihm einen Streich gespielt, erkannte er, sondern er war in die Hände des Feindes gefallen.
Schon seit Jahren herrschte ein erbitterter Territorialkrieg zwischen Raben und Wölfen. Offenbar hatten sich die Grenzen wieder verschoben, ansonsten wäre er hier unter keinen Umständen gelandet. Das hätte Randyn ihm mitteilen müssen!
„Ich habe es ja geahnt, dass wir bei einem Streifzug auf neuem Grund und Boden jemanden aufgreifen, der die Grenze nicht tolerieren will“, sagte ein älterer Wolf. Der Rothaarige ignorierte ihn.
„Wen haben wir denn da?“, fragte der stattdessen und trat einmal um Raj herum, während er in dem unerbittlichen Griff zweier Männer hing.
„Du bist doch einer der Rabenprinzen, nicht wahr? Ihr habt alle die gleiche Fresse. Aber begegnet sind wir uns noch nicht, oder? Jedenfalls kann ich mich nicht an dich erinnern.“
Stumm schüttelte Raj den Kopf.
„Er ist so winzig“, sagte eine Frau rechts von ihm. „Er reicht ja kaum bis an die Schulter eines Maulwurfs.“
Raj funkelte sie wütend an. Seine Größe, oder vielmehr seine mangelnde Größe, war seit jeher sein wunder Punkt. Jetzt lachte sie ihn auch noch aus. Verflixtes Weibsbild!
„Lasst mich los“, zischte er und versuchte sich von den Händen und dem Netz gleichermaßen zu befreien. Ein Schlag in den Magen nahm ihm direkt die Lust an einem weiteren Versuch. Pfeifend klappte er zusammen und wurde nur von den zwei Männern auf den Füßen gehalten. Er würgte, rang nach Atem und das alles gleichzeitig, während er gegen die Schmerzenstränen anblinzelte.
„Hättest du die Güte mir zu verraten, wer genau du bist, Rabenfresse?“
„Raj“, brachte er keuchend hervor.
„Raj? Raj, das Hühnchen? Der siebte Sohn unseres werten Feindes, dieser verdammten Saatkrähe, die sich feige in ihrer Burg versteckt?“
Der Fremde riss das Netz von ihm und umfasste mit eiserner Hand sein Kinn.
„Wo bist du die letzten Jahre gewesen, Hühnchen? Wir haben dich hier vermisst. Hattest du vielleicht Angst, dass die Sagen die Wahrheit berichten und ein siebter Sohn Unglück bringt? Wolltest du deshalb nicht an unserem Spiel um Land und Leben teilnehmen? Nun sprich schon!“
„Ich …ich war an der Hohen Akademie“, antwortete Raj hastig. „Ich habe dort studiert …“
„Oh, wir haben einen Gelehrten unter uns.“ Der Fremde spuckte ihm verächtlich ins Gesicht. Fassungslos stand Raj da und spürte, wie der warme Speichel über seine Haut rann.
„Töte ihn, Farouche!“
Ein junger Mann, der sich aus einer Gruppe Wölfe löste, zog die Aufmerksamkeit aller auf sich. Es war allerdings der Name, den er genannt hatte, der Raj erstarren ließ.
Farouche! Er war in der Gewalt des grausamen Königs der Wölfe. Bis eben hatte Raj noch gehofft, einem kleinen unbedeutenden Rudel in die Hände gefallen zu sein. Hatte er zuvor Angst empfunden, so steigerte sie sich nun zur nackten Panik. Randyn hatte ihm vor einigen Jahren geschrieben, dass Farouche seinen eigenen Vater zerfleischt hatte, um selbst als Alpha der Wölfe zu herrschen. Seitdem wurde die Canisfeste von einem Schlächter regiert.
„Reiß ihm die Kehle heraus!“ Stark humpelnd näherte sich der junge Mann. Respektvoll wichen ihm die übrigen Wölfe aus und sogar Farouche ließ Rajs Kinn los. Verkrustete Schmarren und dunkle Blutergüsse zeugten von einem harten Kampf, den dieser Wolf ausgefochten haben musste. Die rotbraunen, ungebändigten Haare und grünlichen Augen bewiesen die Verwandtschaft zu Farouche. Raj wusste, dass verletzte und alternde männliche Wolfswandler sich harten Hierarchiekämpfen stellen mussten, während bei den Raben für jeden gleichermaßen gesorgt wurde. So war es nicht verwunderlich, dass selbst ein Bruder oder Vetter von Farouche sich den Respekt der anderen verdienen musste, wollte er am Leben bleiben. Dieser Mann strahlte Kälte und heiße Wut zugleich aus, er wirkte noch gefährlicher als der Rudelführer. Hasserfüllt starrte er Raj an.
„Ich will auf seiner Leiche tanzen,
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