Der 7. Rabe (German Edition)
Farouche.“
„Das ist mein kleiner Bruder, Hühnchen. Schau ihn dir gut an.
Es waren die verdammten Wolfseisen deines Schwarms, die Farres beinahe den Fuß abgerissen und ihn zum Krüppel gemacht haben.“
„Das tut mir leid“, flüsterte Raj.
„Oh ja, es wird dir verflucht leidtun, wenn der Kleine dir jeden einzelnen Knochen im Leib bricht, angefangen mit deinen Fingern. Verabschiede dich vom Fliegen, Hühnchen, denn wir werden dir die Flügel stutzen. Und damit du begreifst, wem du fortan gehörst, eine kleine Lektion.“
Raj bekam einen gemeinen Tritt in die Kniekehlen, dass er erneut Bekanntschaft mit dem Waldboden schloss. Ein Stiefel grub sich in seinen Nacken und drückte ihn nieder. Gleich darauf prasselte es warm und stinkend auf seinen Hinterkopf. Dieser Schlächter pisste ihn an!
„So markieren Wölfe ihren Besitz, Hühnchen.“
Gelächter ertönte rings um ihn herum. Indessen lief der Urin in seinen Kragen und sickerte ihm in die Kleidung. Raj fühlte seine Wangen brennen und Zorn in seinen Eingeweiden kochen. Noch nie war er derartig gedemütigt worden.
Farouche wandte sich von ihm ab. Weiterer Donner grollte und der Himmel begann seine Schleusen zu öffnen.
„Bringen wir ihn in die Festung“, rief Farouche, ehe er sich in einen großen Wolf verwandelte und ihm einen letzten spöttischen Blick zuwarf.
2.
„Zwecklos, wir müssen die Nacht hier verbringen.“ Farouche ballte gereizt die Fäuste.
Das Unwetter hatte die Nande über die Ufer treten lassen. Der Fluss war auch zu besten Zeiten launisch und tückisch, mit gefährlichen Unterströmungen und zahllosen scharfen Felsen. Raj wusste, dass die Wölfe nicht aus Feigheit Respekt vor diesem Gewässer hatten. Solange der Fluss so stark angeschwollen war, würden sie ihn gefesselt nicht lebendig auf die andere Seite schaffen können. Darüber würde niemand eine Träne vergeuden, doch auch sie selbst waren vor den Gefahren des reißenden Wassers nicht gefeit.
„Wir könnten uns die Zeit vertreiben, indem wir mit dem Raben spielen“, sagte einer der Wölfe mit einem gierigen Funkeln in den bernsteingelben Augen.
„Das Recht auf den ersten Biss gebührt Farres.“ Farouche näherte sich Raj, der hilflos am Boden lag, die Arme so grausam auf den Rücken gefesselt, dass er kaum atmen konnte. Nur so konnte eine Verwandlung effektiv verhindert werden, weil er die Arme dazu ausbreiten musste. Ein Arm war dabei verzichtbar, waren beide gefesselt, konnte die Verwandlung nicht einsetzen.
„Wie wäre es damit: Wir binden einen Strick um seinen Hals, den einer von uns festhält und lassen ihn ansonsten frei flattern. Würde sicher lustig aussehen und uns ein langes Spielvergnügen bescheren. Wenn er versucht, sich zu verwandeln, schlachten wir ihn ab.“ Der Anführer lächelte Raj an und riss ihn hoch, sodass er auf den Knien zu liegen kam, wobei Farouche wieder seine spitzen Raubtierfänge entblößte.
Raj brauchte seine ganze Kraft, um seine Angst nicht zu zeigen. Um dem Feind offen ins Gesicht zu blicken, ohne zu zittern, ohne sich durch einen Laut des Schmerzes zu verraten. Er war ein Prinz, er würde aufrecht sterben!
„Warte.“ Farres trat seinem Bruder entgegen, wobei er sich vor Raj stellte. Es hätte eine beschützende Geste sein können, bedeutete aber vermutlich bloß, dass der verkrüppelte Wolf ihn für sich beanspruchen wollte.
„Ich habe nachgedacht, Farouche. Als Geisel könnte er uns mehr bieten als vergängliches Vergnügen, meinst du nicht?“
Die Blicke, die zwischen den Brüdern gewechselt wurden, waren schwer zu deuten. Schließlich nickte der Leitwolf.
„Du hast Recht. Sein Vater soll ihm keine große Liebe entgegenbringen, doch das eine oder andere wird ihm sein Sohn schon wert sein. Die Raben sind immerhin berühmt für ihren Zusammenhalt in der Sippe.“ Farouche holte aus und schlug Raj hart ins Gesicht. Haltlos stürzte Raj zurück auf den Boden. Sofort war der Wolfswandler über ihm und präsentierte seine Reißzähne aus nächster Nähe.
„Freu dich, Federvieh, du wirst den nächsten Sonnenaufgang noch erleben“, grollte er bedrohlich. „Mit beiden Augen und allen Gliedmaßen. Eine beschädigte Geisel ist weniger wert.“
Er stand auf und nickte Farres zu. „Er untersteht deiner Obhut, Bruder. Bring ihn da rüber, ich will seine hässliche Visage nicht die ganze Zeit anstarren müssen.“
Farres packte ihn und zerrte ihn brutal auf die Beine.
„Viel Spaß!“, rief einer der Männer.
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