Der 7. Rabe (German Edition)
Kompromissvorschlag erarbeitet hatten.
Am wichtigsten aber war es ihm, Raj wiederzusehen. Eineinhalb Tage Trennung hatten ihm mehr als genug Schmerzen bereitet!
Es war Rakden, der sich vor ihnen niederließ und mit ihnen gemeinsam zum Menschen wandelte.
„Heil sei dir, neuer Alpha“, sagte er höflich. „Bitte, folge mir.“
Er schritt voran und führte Farres und Fingram in die ebenerdige Halle, von der aus Strickleitern in die obere Burganlage führten. Nur in menschlicher Gestalt konnten sie diese Leitern besteigen und waren dabei von allen Seiten angreifbar. In dreißig Schritt Höhe mussten sie durch schwer bewachte eiserne Tore schreiten und erreichten erst jetzt die bewohnten Bereiche von Zwanzig Türme.
König Rajadas erwartete sie im Thronsaal. Zum ersten Mal überhaupt begegnete Farres dem Rabenherrscher. Er war ein alter, gebeugter Mann, ganz wie die Gerüchte es stets behauptet hatten. Es würde wohl nicht mehr lange dauern, bis Rakden die Krone übernehmen musste …
Farres witterte seinen Liebsten in der Nähe, offenbar in Gesellschaft seiner Brüder.
„Es geht ihm gut“, flüsterte Rakden und klopfte ihm begütigend auf die Schulter. Die vertrauliche Geste verwirrte Farres ein wenig, denn mit Rakden hatte er sich noch nicht anfreunden können. Doch es war eine angenehme Verwirrung, da es nur bedeuten konnte, dass die Raben seine Beziehung zu Raj akzeptiert hatten.
„Ihr kommt, um uns die Hand zum Frieden zu reichen“, sagte Rajadas leise.
„So ist es“, erwiderte Farres respektvoll. „Zweifellos wisst Ihr bereits von der Karte, die ich gemeinsam mit Raj aus der Akademie geholt habe?“
Der alte Rabe nickte bedächtig. Nicht so, als wäre er skeptisch, sondern als würde ihn selbst diese leichte Bewegung bereits schmerzen. Farres konnte wittern, wie sehr der Mann an Rheuma litt, das seine Gelenke bereits deformierte.
„Wenn es nicht zu unhöflich ist, würde ich Euch gerne raten, die Schlangenwandler im Gamesh-Moor aufzusuchen. Sie sind überragende Heilkundige und die heißen Schlammbäder, die sie bereiten, dürften für Euch eine Wohltat sein“, sagte er zögerlich.
König Rajadas starrte ihn verblüfft an. Dann breitete sich ein herzliches Lächeln auf seinem Gesicht aus.
„Ich will gerne über diesen Ratschlag nachdenken“, erwiderte er, bevor er auf die Karte in Farres’ Hand wies.
„Wollen wir nun über das Schicksal unserer Völker entscheiden?“
~*~
Mindestens acht Stunden dauerten die Verhandlungen bereits und Raj hatte noch keine Haarspitze von seinem Wolf zu Gesicht bekommen. Er wurde immer rastloser und nervöser und gleichgültig, wie sehr er es zu verbergen versuchte, seine Brüder wussten genau, wie es um ihn stand und bemühten sich tapfer, ihn abzulenken. Es gelang ihm mittlerweile besser, sich vor dem Bombardement von Sinneseindrücken zu schützen. Das war gut, sonst wäre er längst wahnsinnig geworden.
Seine neuen Fähigkeiten wurden nur von seiner Familie mit Gleichmut hingenommen. Die anderen Raben verbargen zwar ihr Misstrauen und ihre Scheu vor ihm äußerlich, doch Raj konnte wittern, wie unwohl sie sich in seiner Nähe fühlten. Es würde besser werden, wenn alle Zeit gehabt hatten, sich daran zu gewöhnen. Dass er es durchstehen würde, daran zweifelte er nicht. Schließlich hatte Raj fünf Jahre offene Feindseligkeit und Verachtung überlebt.
Auch wenn es diesmal seine Freunde und Schwarmmitglieder waren, die ihn ablehnten …
Als plötzlich seine Mutter hereinkam und verkündete, dass man sich nun mit den Gästen zu einem gemeinsamen Mahl zusammensetzen würde, dachte er kurz, dass Wahnsinn eine Alternative sein könnte. Es könnte ihm womöglich eine Menge Leid ersparen, denn falls Farres ihn nicht mehr sehen wollte, nachdem Raj …
„Er liebt dich, Bruder. Er liebt dich von ganzem Herzen, also lass alle Zweifel“, flüsterte Randyn ihm eindringlich zu. „Wir haben erlebt, wie ungern er zugestimmt hatte, dass wir dich mitnehmen.“
Der Kerl hatte gut reden … So nervös war Raj noch nie gewesen, und zu wissen, dass Farres es bereits durch die Tür wittern konnte, machte es nicht besser.
Dann standen sie sich gegenüber. Raj hatte sich eisern vorgenommen, Haltung zu bewahren. Sich auf keinen Fall gehen zu lassen. Vor seinen Eltern am allerwenigsten.
Doch ein Blick in diese glühenden grünen Augen, und er war rettungslos verloren. Er fiel in Farres’ Arme, überglücklich, dass er weder Misstrauen noch Abscheu oder sonst
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