Der 7. Rabe (German Edition)
klar geworden.
„Kraaaaa! Kraaaaaa!“
Unter heftigem Gekrächze und Flügelrauschen kamen die Raben herbeigeflattert. Farres blickte alarmiert hoch, wie das Rudel darauf reagieren würde, doch seine Wölfe schienen noch zu betäubt vom Lauf der Ereignisse zu sein, denn niemand schenkte den vier Brüdern groß Beachtung.
„Raj! Oh Gott, lebt er noch?“
Randyn war wie immer der Erste, wenn es um den Kleinen ging. Er geriet in helle Aufregung, bis Raj ihm zwei Dutzend Mal versichert hatte, dass es ihm eigentlich ganz gut ging. Farres wunderte sich zwar, warum sein sonst so agiler Rabe nicht aufstand, doch ihm schien zumindest äußerlich bis auf die gebrochene Nase nichts zu fehlen.
Nachdem sich alle mühsam beruhigt hatten, zog Risser Farres zu sich heran.
„Hör zu, du hast hier im Moment einiges zu klären, wo wir Raben bloß im Weg wären, Raj eingeschlossen. Zumal der jemanden braucht, der ihm die Nase richtet, ein Gebiet, auf dem unsere Mutter unschlagbar ist.“
„Ihr … ihr wollt …“ Farres wollte ihn nicht gehen lassen. Wer wusste schon, ob Raj zu ihm zurückkommen würde? Wenn sie ihn derart zugerichtet nach Hause brachten, würde der Rabenkönig womöglich keinem Friedensgespräch zustimmen wollen.
„Keine Sorge, spätestens morgen früh wird unser Küken den Ausbruch proben und freiwillig zu dir zurückkommen“, sagte Ryskal und klopfte Farres begütigend auf die Schulter.
„Ich gehöre zu dir!“, wisperte Raj mit einer Entschiedenheit, die die meisten Wölfe erstaunt zu ihm blicken ließ.
Mit einem Nicken und einem Seufzen gab Farres seine Zustimmung. Er musste Farouche bestatten. Er musste dem Rudel klar machen, dass es nicht bloß den Alpha, sondern auch Ephrim verloren hatte. Eine Menge Gespräche würden notwendig sein, bis alle Wölfe wussten, was geschehen war, warum es geschehen musste und wie es nun weitergehen würde. Farres musste einen Beta wählen und die Friedensgespräche mit den Raben vorbereiten und noch ungefähr zwei Millionen weitere Dinge erledigen. Ja, es war gut, wenn Raj erst einmal in die treusorgenden Hände seiner Mutter übergeben wurde.
„Kannst du uns einen Korb leihen? Wir sind im Flug einfach am schnellsten und wenn Raj sich verwandelt, können wir ihn am besten transportieren.“
„Ich kann fliegen! Meine Flügel sind völlig in Ordnung, die Nase brauch ich dabei nicht!“ Wie erwartet musste der Sturkopf protestieren und versuchte sich aufzusetzen, um zu beweisen, wie stark er war. Stattdessen sank Raj mit einem matten Stöhnen sofort wieder zurück zu Boden. Hatte er sich vielleicht am Kopf verletzt?
Ausgerechnet Fingram reichte Farres einen kleinen Weidenkorb an. Von ihm und seinem immensen Hass auf die Raben hätte er Ärger erwartet. Doch er wirkte niedergedrückt und beinahe beschämt, wann immer sein Blick in Rajs Richtung fiel.
„Ich verstehe nicht, wie das möglich ist“, murmelte Fingram. „Wieso habe ich nicht erkannt, welcher Wahnsinn Farouche getrieben hat?“
Eine Frage, auf die es wohl niemals eine Antwort geben würde.
„Na komm, Brüderchen, verwandle dich und dann geht’s auf nach Zwanzig Türme“, sagte Randyn munter und nahm den Korb entgegen.
Gehorsam schloss Raj die Augen, seine Gestalt verschwamm … Und dann ging ein vielkehliger Aufschrei durch die Halle, als mit einem Mal ein kleinwüchsiger Wolf anstelle des erwarteten Raben am Boden lag.
Schlagartig wurde Farres klar, was Raj während des Kampfes getan hatte – er hatte nicht Farouches Verwandlung rückgängig gemacht, sondern dessen Wolfsseele an sich genommen!
Ein fiepender, unglücklicher Wolf blickte zu ihm auf, als Farres erschüttert vor ihm auf die Knie sank.
„Es ist nicht deine Schuld, Kleiner“, sagte er laut und strich ihm dabei über den Kopf. „Farouche hätte uns beide getötet. Oder vielleicht auch alle, die nicht rechtzeitig hätten fliehen können. Er war zur Bestie verkommen, weder Wolf noch Mensch.“
Winselnd krümmte sich Raj unter seiner Hand – und verwandelte sich in einen Raben.
„Hab ich dir nicht gesagt, dass du riesig bist? Du hast sogar Platz für zwei Wandlerseelen.“
Farres versuchte leichthin zu sprechen, obwohl er vor Sorge fast verging. Würde Raj bei Verstand bleiben? Hoffentlich verlor er nicht seine Menschlichkeit! Wie sollten zwei solch gegensätzliche Tiere mit ganz verschiedenen Instinkten und Bedürfnissen in ihm das Gleichgewicht bewahren?
Der Altehrwürdige hat es auch geschafft, Wolf und Pferd zu
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