Der 7. Rabe (German Edition)
Schmerztranks seiner Mutter unmöglich. Zumal sich sein Herz nach Farres verzehrte. Wochenlang war er nie von ihm getrennt gewesen und jetzt war er unerträglich weit weg!
Um sich abzulenken, experimentierte Raj mit seiner neuen Wolfsgestalt. Verwirrend, wie schnell er diese annehmen konnte! Es war ein seltsames Körpergefühl, auf vier Beinen zu laufen und es fiel ihm schwer, das Wachstum des Pelzes zu kontrollieren. Seine Ohren so hoch am Kopf sitzen zu haben schien ihm zunächst eher störend und die Rute an seinem hinteren Körperende entzog sich eine Weile lang jeder Kontrolle. Dass er die Wolfssprache nicht automatisch mit geerbt hatte, war ihm bereits auf der Canisfeste aufgefallen, er würde sie nach und nach lernen müssen.
Wirklich froh war er darüber, dass er von Farouches Erinnerungen verschont geblieben war. Vermutlich war es weniger die Seele, als die Wandlergabe als solche, die er dem Wolf gestohlen hatte. Andernfalls hätte Farouche als leere Hülle zusammenbrechen müssen statt weiterkämpfen zu können, oder?
Es machte Raj unglücklich, was er getan hatte. Doch hätte er mitansehen sollen, wie sein Liebster von dieser Bestie in Stücke gerissen wurde?
Ob das Rudel ihn akzeptieren würde? Als Wolf, als denjenigen, der ihrem König die Seele aus dem Leib gerissen hatte? Als Geliebten ihres neuen Königs?
Oder würde er sich von Farres trennen müssen, weil die anderen Wölfe ihn hassten?
Was, wenn Farres ihn nun hasste?
Undenkbar. Er würde daran schlicht und ergreifend zugrunde gehen.
Und sein eigenes Volk? Würden die Raben ihn ebenfalls ablehnen, für das, was er nun geworden war? Die Vorstellung drückte ihm das Herz ab. Der Altehrwürdige war von seinen beiden Familien geächtet worden, obwohl diese genug Zeit gehabt hatten, sich an ihn zu gewöhnen. Ein Leben ohne seine Brüder, ohne Farres, ohne ein Zuhause, das würde Raj nicht führen können. Lieber würde er sterben!
Er wandelte sich schlussendlich zum Raben, jene Gestalt, in der seine Nase am wenigsten schmerzte, und wartete auf den neuen Tag. In diesem Körper konnte er nicht weinen, das war ihm gerade die wichtigste Eigenschaft. Wie oft hatte er sich damit bereits durch die langen Nächte gerettet …
~*~
Farres hielt die Unterhändlerfahne im Maul und wartete geduldig am Fuß der Zwanzig Türme. Sie hatten Farouche noch in der Nacht mit allen Ehren bestattet: Sein Körper war auf einem Scheiterhaufen verbrannt, die Asche auf dem Totenfeld begraben worden. Sein Name war unauslöschlich in die Annalen des Rudels aufgenommen, seine Geschichte wurde bereits vom Chronisten niedergeschrieben. Eine Kopie der Schrift würde zur Hohen Akademie geschickt werden. Es war für das Rudel wichtig, dass Farres diese rituellen Handlungen geleitet hatte, noch bevor er sich zum Alpha hatte ausrufen lassen. Beim nächsten Vollmond würde es zu einer Versammlung aller Wolfswandler des Landes kommen, wo er zum König der Wölfe gekrönt werden würde. Sein Rudel hatte deutlich gemacht, dass es bis zum letzten Welpen geschlossen hinter ihm stand. Die Sehnsucht nach Frieden und Ordnung überwog alle Bedenken oder Zweifel. Sein Volk war müde nach Jahrzehnten, in denen zunehmend vom Wahnsinn zerfressene Alphas nach Blut und Macht um jeden Preis gegiert hatten. Was ihn überraschte war die Bereitschaft, Raj an seiner Seite zu akzeptieren. Fingram, sein neuer Beta, hatte es auf den Punkt gebracht:
„Wenn das Hühnchen dich glücklich macht, wird er uns auch glücklich machen. Er riecht sowieso nach dir. Und wenn er sich jetzt noch zusätzlich in einen Wolf verwandeln kann, ist er ja fast schon perfekt.“
Ein bisschen unheimlich war es durchaus für sie alle, was Raj da getan hatte. Dass er damit Farres retten wollte sowie die allgemein vertretene Überzeugung, dass er diesen Trick niemals wiederholen konnte – noch eine Wandlerseele dürfte schlicht keinen Platz in ihm haben – gab den Ausschlag. Nun war es Zeit für das erste Friedensgespräch. Farres fürchtete sich ein wenig davor, was König Rajadas zu seinen Vorschlägen und der antiken Karte sagen würde, die er im Gepäck hatte. Raben wie Wölfe würden einiges aufgeben, was sie an anderer Stelle gewinnen würden. Vollständig würden sie die alten Grenzen nicht wieder herstellen können, da einige Gebiete mittlerweile von anderen Wolfsrudeln und Rabenschwärmen bewohnt wurden. Farres hatte sich bereits mit Fingram mehrere Stunden beraten, bis sie einen geeigneten
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