Der 7. Rabe (German Edition)
irgendein negatives Gefühl bei seinem Liebsten wahrnahm.
„Gott im Himmel, was hab ich dich vermisst!“, flüsterte er, bevor sein Mund zu beschäftigt zum Reden war. Sie ignorierten die Schmerzen seiner gebrochenen Nase sowie das Räuspern und Gehüstel um sich herum, bis schließlich Randyn eine Hand auf seine Schulter legte und ihn sacht zwang, sich wieder dem Rest der Welt zu widmen.
Verlegen wich er dem Blick seiner Eltern aus. Er nahm zwar wahr, dass sie diese Beziehung nicht missbilligten, doch sie waren und blieben nun einmal seine Eltern.
„Essen gibt es in der Halle“, sagte Risser mit einem breiten Grinsen. „Und damit ist nicht gemeint, dass ihr euch hier gegenseitig vernaschen sollt.“
Rajs Wangen brannten, während Farres’ Blick noch intensiver wurde. Sein Wolf ließ ihn nicht einen Moment lang los und er pfiff auf jede Sitzordnung, die eigentlich vorsah, dass Raj am entgegengesetzten Ende der Tafel sitzen sollte, sondern platzierte ihn rechts neben sich.
Der Wolfswandler, der Farres begleitete, wirkte zunächst eingeschüchtert von all den Raben und vermutlich auch von der Tatsache, dass sie sich so hoch über dem Boden befanden, in einem Raum, dessen bodentiefe Fenster stets an diese Tatsache erinnerten. Doch Raj und seine Brüder hatten noch nie viel von steifen Benimmregeln und übermäßig viel sittsamer Höflichkeit gehalten. Risser und Rynalph beherrschten rasch das Gespräch, warfen geschickt mit Anekdoten und Scherzen und legten Vorlagen für die anderen fünf Brüder. Sie erzählten von Zimmern voller Eierschalen und von einem Bett, das klammheimlich gegen ein überdimensionales Nest ausgetauscht worden war. Rynalph erfuhr dabei, dass es Raj und Randyn gewesen waren, die ihn im Schlaf von Kopf bis Fuß mit gesammelten Federn beklebt hatten. Er hatte schmerzhafte Ewigkeiten damit verbracht, sich von ihrer Mutter sprichwörtlich rupfen zu lassen. Es folgte eine wilde Hetzjagd rund um den Tisch, weil sich Rynalph endlich rächen und seinen beiden Brüdern die Hälse umdrehen wollte.
Farres und auch Fingram wurden in die Späße mit einbezogen, und noch bevor sie den Hauptgang beendet hatten, bebte der Turm von ihrem Gelächter. Die mahnenden Blicke ihres Vaters beachtete niemand, und als ihre Mutter sich beteiligte, war alles zu spät. Raj war froh, dass sein Liebster sich hier wohlfühlte. Zwanzig Türme war sein Zuhause, der Ort, den er viel zu lange hatte vermissen müssen. Er würde nicht glücklich werden, müsste er seine Familie aufgeben, auch wenn er es für Farres tun würde.
„Wie stehen die Verhandlungen?“, fragte er irgendwann leise, als die allgemeine Aufmerksamkeit Rakden und Ris’tan galt, die sich ein heißes Wortgefecht darüber lieferten, wer von ihnen bei einem gewissen verbotenen Flugduell im Gebiet der Adler der Gewinner gewesen war.
„Wir nähern uns an“, murmelte Farres. „Die meisten Territorialgrenzen konnten wir festlegen. Es geht jetzt noch um Wiedergutmachung, Reparaturzahlungen, Millionen Details, die vertraglich für die Zukunft geregelt werden müssen. Alles so was. Dein Vater ist etwas unflexibel bei gewissen Dingen. Etwa, inwieweit wir die Nande zu Handelszwecken nutzen dürfen, auch wenn wir das Nordufer aufgeben. Ich bin dafür äußerst unflexibel, was das Gebiet westlich des Gamesh-Moors angeht. Würden wir das aufgeben, wäre uns der Zugang zu mehreren Rudeln versperrt.“
„Das Gebiet brauchen wir doch überhaupt nicht, was will mein Vater damit?“ Raj fasst sich gedankenverloren an die Nase, die ihn prompt daran erinnerte, dass das eine dumme Idee war.
„Mich solange zur Verzweiflung treiben, bis ich ihm anderweitige Zugeständnisse mache, die er mir sonst niemals hätte abringen können. Reine Taktik, Verhandlungen sollen nicht allzu rasch zum Erfolg führen. Das würde den eigenen Leuten signalisieren, dass man zu weich, zu wenig um das Wohl seines Volkes bemüht ist. Der Krieg wurde nicht jahrelang gefochten, damit wir uns jetzt alle um den Hals fallen und zusammen Ringelreihen tanzen.“
„Mir darfst du immer um den Hals fallen“, brummte Raj. Politik! Er hasste Politik. Sie machte das Leben kompliziert und hielt ihn von seinem Geliebten fern.
„Keine Sorge, deine Mutter hat klar gemacht, dass es erst morgen weitergeht“, flüsterte Farres ihm mit einem sehr anzüglichen Unterton zu. „Die Gesundheit deines Vaters erlaubt es nicht, Fingram und mich die ganze Nacht über böse anzuklappern.“
„Sind die
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