Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der 8. Februar (German Edition)

Der 8. Februar (German Edition)

Titel: Der 8. Februar (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeron North
Vom Netzwerk:
Konzentrationslager. Ich kann mich nicht erinnern, welche Hebel Papa in Bewegung setzte und den Zuständigen glaubhaft erklärte, dass er gerade diesen kräftigen Mann für seine Firma brauchte. Als Achtjährige verstand ich das noch nicht so richtig, es wurde auch nicht offen darüber gesprochen, insbesondere nicht vor Kindern. Auf jeden Fall fuhr Papa eines Morgens nach Polen und kam gegen Abend mit Karol zurück. Er wurde tatsächlich freigelassen!
       Seine Erlebnisse im KZ waren schrecklich und meinem Vater zeigte dieser Tag, was mit den Menschen dort gemacht wurde, obwohl er natürlich nicht hinter die Kulissen schauen durfte. Die Abholung fand am Tor zum KZ statt, ein unbefugtes Betreten war strengstens verboten. Karol aß ein ganzes Brot auf einmal auf und schilderte Papa den Tagesablauf im Lager.
       1943. Es war Ostersonntag früh und alle schliefen noch als ich von einem Geräusch geweckt wurde, das ich nicht einordnen konnte. Die Tür zum Elternschlafzimmer stand wie immer offen, da hörte ich leises Flüstern, polnische Worte mit „Hallelujah“ darin. Eine Abordnung unserer Arbeiter, haupsächlich Frauen, stand mit einer Wasserschale im Elternschlafzimmer und sprengte Wasser mit einem Buchsbaumzweig auf die jetzt erwachenden Eltern.
    Später weitete sich dieser alte polnische Brauch draußen zu einer wahren Wasserschlacht aus, sodass im Laufe der nächsten Stunde niemand trocken über den Hof gehen konnte. Mit einem Schlauch aus dem Pferdestall wurde jeder nassgespritzt, ehe er sich’s versah, bis sich einige aus der Fabrik mit Schläuchen bewaffneten und Paroli boten. Wir Kinder schauten aus den oberen Fenstern unseres Hauses zu und lachten uns kaputt. Es war wie im Kino!
       Das Verhältnis zu unseren Arbeitern war entspannt und keiner dachte sich etwas dabei, als einige bis ins Schlafzimmer vordrangen. Die Hausmädchen hatten wohl die Haustür aufgeschlossen und sie hereingelassen. Die Wohnverhältnisse der Arbeiter waren sehr beengt, trotzdem arbeiteten sie gut und willig. Wie schlecht muss es ihnen also in Polen gegangen sein, denn fast alle versuchten, ihre Verwandten nachzuholen. Das waren natürlich nicht nur arbeitsfähige Leute, sondern auch Eltern und Großeltern. Für sie musste eine besondere Genehmigung eines Amtes eingeholt werden und Papa musste dafür geradestehen. Da war der Kauf der pleite gegangenen Landwirtschaft Staude genau richtig, die Stallungen wurden zu Wohnungen umgebaut, um so zusätzlichen Platz neben dem Wohnhaus zu schaffen. Auf unserem Grundstück wurde mit dem Bau von zwei großen Arbeiterhäusern begonnen, die allerdings bei Kriegsende noch im Rohbau waren. Die Polen informierten Papa, dass die alten Leute verschleppt würden. Er schrieb dann offiziell als Begründung auf die Anträge, dass die Alten auf die kleinen Kinder aufpassen müssten, weil beide Eltern arbeiteten. Die Familien Kopalinski und Rospendek hatten beide vier und fünf Kinder unter sechs Jahren. Der Garten zwischen dem alten Arbeiterhaus und dem Haus von Ida Ernst wurde als Spielplatz eingerichtet und mit einem Rasen versehen. Außerdem gab es dort einen Sandhaufen, eine Schaukel und eine Wippe. Eine Sitzbank für die Babuschkas wurde auch aufgestellt und immer benutzt. Ein sehr geschickter polnischer Schuhmacher verdiente sich zusätzlich Geld mit dem Herstellen von Sommerschuhen und Reparaturen. Ich hatte auch welche und Frau Just ließ ein Paar für Gisel machen, wofür sie mit Naturalien bezahlte. Die Sohlen dieser Schuhe wurden aus alten Fahrradreifen gemacht. Unsere Leute machten auch mit anderen Heidauern Geschäfte, zum Beispiel brannten sie Schnaps aus Getreide und Kartoffeln, was aber streng verboten war. Eines Tages musste der fünfundzwanzigjährige Verlobte von Lottka Ottolinska, ich glaube er hieß Stephan, ins Krankenhaus gebracht werden. Er hatte eine Alkoholvergiftung und konnte nicht mehr gerettet werden. Kurz danach wurde er auf dem Heidauer Friedhof beerdigt. Die Ursache war wohl nur unseren Eltern bekannt, ich erfuhr erst später davon. Ein paar Polen hatten sich bei uns eine kleine Brennerei zusammengebastelt und sich vielleicht nicht genügend ausgekannt. Eine andere Polin mit Namen Larissa war eine Malerin, die bei uns in der Fabrik arbeitete. Sie zeigte mir, wie man eine Rose malt. Olga kochte in der Gemeinschaftsküche Piroggen (Weizen), die ich auch manchmal aß. An diesen Beispielen kann man sehen, dass wir gut miteinander auskamen.
       Als Neunjährige wurde

Weitere Kostenlose Bücher