Der 8. Februar (German Edition)
eine Zeitung gewickelt hatte. Der Ziegelstein diente als Fußwärmer im Bett. Er war noch zu heiß gewesen, die Matratze wurde angekohlt und es entstand dicker Rauch. Er saß vor seinem Bett angelehnt und konnte nicht mehr flüchten, da er wahrscheinlich zu betrunken war.
Mama und ich liefen im Januar 1946 bei großer Kälte nach Parchwitz und baten Pfarrer Hirschmeyer, ihn zu beerdigen. Ich hatte keine richtigen Schuhe mehr, das letzte Paar, das mir noch gepasst hätte, war mir von einem Russen abgenommen worden. Die Schuhe, die ich trug, stammten von Frau Menzels Schwester aus Leschwitz, die an Typhus gestorben war. Es waren schwarze Halbschuhe mit halbhohen Absätzen und den dünnsten Sohlen, die ich je hatte. Es kam mir vor, als ob ich barfuß ginge, jeder Schritt war Eis. Sie passten nicht richtig und waren nicht für diese Wetterverhältnisse gemacht. Ich hatte mehrere Zehen erfroren und jahrelang juckten die Zehen, wenn es Frost gab.
Der alte Krause wurde mit priesterlichem Beistand beerdigt, nachdem Mama die Nachbarn Jungfer und Menzel angeheuert hatte, einen Sarg aus dem Kleiderschrank im Dachgeschoss zu zimmern. Von ihnen wurde auch der Transport zum Friedhof organisiert. Frau Gerschel hatte als ehemalige Ladenbesitzerin noch ein paar Raritäten zur Hand. Sie gab Ursula und mir schwarze Samtbänder, die wir uns in die Zöpfe flochten. Ruth hatte sie auch eins angeboten, doch sie nahm es nicht und kam auch nicht mit zur Beerdigung. Die beteiligten Männer wurden von Mama mit Briketts bezahlt. Es war die einzige Beerdigung in dieser Zeit in Heidau, die mit einem Pfarrer stattfand, soweit ich weiß. Ruth sagte sehr überzeugend:
„Wenn ich mit zum Friedhof gehe, werfe ich einen großen Stein ins Grab!“
Hans Krause hatte uns auch noch bestohlen, nämlich um 20.000 Reichsmark, die Papa kurz vor dem Einmarsch der russischen Truppen abgehoben hatte und einen Schutzbrief, der von unseren ausländischen Arbeitern geschrieben worden war und enthielt über 100 Unterschriften. Das Geld fand Mama später im Wohnzimmerofen seiner Wohnung, doch von dem Schutzbrief für unsere Familie fehlte jede Spur...
Die Heidauer waren bis auf vielleicht vier Familien evangelisch, und der Friedhof war um die Kirche herum angelegt, in der unser Herr Kantor Orgel spielte. Neben der ausgehobenen Grube befanden sich die drei zuletzt beerdigten Verwandten von Dittrichs aus dem letzten Bauernhof in Heidau. Es handelte sich um Ernst Dittrichs Bruder, seine Frau und deren Tochter, die kurz zuvor an Typhus gestorben waren. Es blieben zwei Kinder zurück, ein Junge und ein Mädchen unter zehn Jahren. Sie waren wegen der Bombardierungen aufs Land gekommen und glücklicherweise bei den Nachbarn Engels untergekommen, da Dittrichs Haus voll belegt war. Sie wurden dann alle zusammen ausgewiesen. Der Vater kam aus der Gefangenschaft zurück und konnte seine Kinder wiederfinden. Er bekam eine eidesstattliche Erklärung von Herrn Dittrich, dass seine Frau gestorben war und etwas später heiratete er ein zweites Mal.
Ruths Freundin Ursula Baumert erkrankte auch an Typhus und verlor nach ein paar Wochen ihre Haare. Sie wurde mit viel Glück wieder gesund und sah bald wieder wie vor ihrer Erkrankung aus.
Im Frühjahr 1946 gab es in Parchwitz nur eine Metzgerei und ein Lebensmittelgeschäft. Inzwischen hatten Rückkehrer erzählt, wo Muttel und Tante Frieda seien und uns eine Adresse gegeben. Mama hatte vorher entlassene, kranke Kriegsgefangene gebeten, einen Brief an ihre Mutter mitzunehmen. Die Poststelle wurde nun wieder im alten Gebäude eröffnet. Irgendwie musste schnellstens eine Briefmarke beschafft werden. Mama gab mir Krauses Unterwäsche mit, zwei Unterhemden und eine lange Unterhose. Ich ging diesmal allein nach Parchwitz und suchte die Metzgerei auf. Ich stellte mich dort so in die Tür, dass mir niemand den Fluchtweg verstellen konnte und präsentierte meine Tauschware. Die Metzgerin nahm die Sachen nacheinander in die Hand, hielt sie hoch, um die Größe festzustellen. Ihr Mann war ein großer und kräftiger Mann und sie meinte, es würde passen. Daraufhin gab sie mir ein paar Zlotys. Auf der Post reichte es für eine Briefmarke, und so schickte ich den Brief ab. Da nicht das ganze Geld verbraucht war, entschied ich mich noch für eine Schachtel Streichhölzer. In dieser Zeit ging ich noch einige Male allein nach Parchwitz und brachte dann immer 150 ml Speiseöl mit nach Hause. Einmal traf ich
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