Der 8. Februar (German Edition)
Fass, das waagrecht auf einem Bock lag, und stellte meine Ölkanne vor die Öffnung. Dann ging ich auf die andere Seite und hob das Fass an. Für mich war es sehr schwer und langsam floss das Öl heraus. Nach einem Moment musste ich absetzen und steckte meinen Finger in die Kanne. Ich berührte das Öl und schätzte, dass ich genug hatte. Dann schlich ich mich zum Tor und musste warten, bis ich das nächste Mädchen loslaufen sah. Als es soweit war schlich ich los und ließ das Tor einen Spalt geöffnet zurück. Wir Mädchen sahen uns im Vorbeilaufen wortlos in die Augen und verschwanden wieder, jeder an seinem Ziel.
Als das letzte Mädchen wieder zurückkam und jeder von uns seine gefüllte Kanne in der Hand hatte, waren wir für einen Moment lang stolz auf uns, vor allem, weil wir zwei bewaffnete Soldaten ausgetrickst hatten. Ich begann wieder ruhig zu atmen und auf ein Zeichen machten wir uns auf den Heimweg, wobei wie wieder die Feldwege der Hauptstraße vorzogen.
Zuhause angekommen mussten wir uns geeignete Lampen herstellen. Wir nahmen ein schweres Bierglas und füllten es mit dem Öl. Mit der Spitze einer Axt und einem Stein schlugen wir ein Loch in einen passenden Blechdeckel und machten uns auf die Suche nach einem Docht, den wir in einem zurückgelassenen Auto fanden. Wir schnitten die geflochtene Handschlaufe an der Wagentür ab und steckten sie als Dochtersatz durch das Loch im Deckel. Jetzt hatten wir Licht, weil es aber nicht das richtige Öl zum Verbrennen war, wurden die Wände, die Decke und die Küchenmöbel mit Ruß geschwärzt.
Erst Ende 1945 gab es einen kleinen Laden bei Habel, der ehemaligen Gastwirtschaft, der sich in der letzten Kurve in Richtung Parchwitz befand. Wir konnten aber dort nichts kaufen, denn wir hatten kein gültiges Geld, nämlich polnische Zlotys. Später konnten wir dann unsere Reichsmark eintauschen und bekamen einen erschreckend schlechten Kurs. Von den erhaltenen Zlotys kauften wir Öl und Streichhölzer.
Es wurde kälter und ich hatte keinen Mantel. Meine Jacke war einfach zu dünn für diese Temperaturen. Ich dachte, dass noch irgendetwas in der Fabrik herumliegen könnte, was sich zum Anziehen herrichten ließe und ich fand tatsächlich noch drei Zickelfelle. Für einen Mantel würden sie nicht reichen, nicht einmal für eine Jacke. Da hatte Frau Gerschel eine Idee: wir machen ein Cape. Aus ihrem Kolonialwarenladen hatte sie noch ein paar Modezeitschriften mit Schnitten. Sie gab mir ein Rädchen und wir suchten einen passenden Schnitt. Sie hatte auch eine Rasierklinge und schnitt die Teile damit zu, die ich aus dem Musterbogen auf ein Stück Packpapier, auch von Frau Gerschel, übertragen hatte. Das Wetter war schlecht, es gab nichts zu organisieren, also nähte ich die Teile mit einer Ledernadel aus der Werkstatt und weißem Garn zusammen. Den Rücken aus einem Fell, die beiden Vorderteile aus den anderen zwei Fellen. Der vordere Verschluss bestand aus einer Lasche auf der einen Seite und zwei Einschnitten auf der anderen. Die Lasche wurde durch die Einschnitte gezogen und hielt fest. Geschafft, ich hatte einen etwas wärmeren Schutz über meiner Jacke. Die Hose war schon etwas kurz geworden, musste aber für diesen Winter reichen. Ganz stolz ging ich also gegen Nachmittag Milch holen, die Kanne verbarg ich in einer Tasche. Es war einer der Tage, an dem ich Milch bei Menzels für Ursula holen ging. Ich war noch nicht weit gegangen, als ich eine ganze Gruppe polnischer Kinder vor mir heranstürmen sah. Das weiße Cape! Ich drehte um und rannte, so schnell ich konnte, wieder nach Hause. Ich zog das Cape nie wieder an, weil ich glaubte, sie wollten mich verhauen und es mir abnehmen. Im Hause hängte ich es mir um, aber leider wärmte es nicht so wie erwartet.
Seit dem Herbst 1945 wohnten die Familien Gerschel und Göbel bei uns. Ihre Häuser waren beschlagnahmt worden, und wir nahmen sie bei uns auf. Herr Gerschel war nicht ganz gesund, konnte aber noch Holz hacken. Seine Frau hatte noch einige interessante Dinge aus ihrem Tante-Emma-Laden retten können, davon später mehr. Zu Weihnachten hatte sie bei einem gemeinsamen Abendessen der ganzen Hausgemeinschaft in unserem Esszimmer, das sie mit ihrem Mann bewohnte, eine lange Tafel aufgebaut und auf jeden Platz eine Christbaumkerze gestellt. Der alte Krause wurde auch eingeladen, denn niemand wusste von unserer Feindschaft. Aus Angst vor möglicher Rache behielten wir diese ganze
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