Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der 8. Februar (German Edition)

Der 8. Februar (German Edition)

Titel: Der 8. Februar (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeron North
Vom Netzwerk:
es mir so langweilig geworden, dass ich beschloss, Frau Göbels Neffen Peter mitzunehmen. Nachdem ich die Erlaubnis erhalten hatte, kam der Sechsjährige mit und ich fühlte mich wohler, zum einen, weil ich weniger Angst, zum anderen etwas Unterhaltung hatte. Ich erzählte ihm Märchen, denen er gespannt zuhörte. Manchmal sangen wir Kinderlieder und so gingen die Tage etwas schneller herum. Der Pole gab mir Brot mit Butter und eine kleine Flasche als Mittagessen mit, das ich mit Peter teilte. Es war keine Kuhmilch, sie schmeckte so seltsam nach Lehm, ich vermute es war Schafmilch. Ich trank nicht so viel davon, Peter mochte sie anscheinend ganz gern. Ich stellte mich gegen Abend kerzengerade auf die Weide und wurde so selbst zur Sonnenuhr. Ungefähr konnte ich so die Zeit bestimmen, denn wir sollten zwischen fünf und sechs Uhr abends wieder auf dem Hof sein.
    Eines Tages sah ich eine Schlange und glaubte, es sei eine Kreuzotter. Ich hatte nie zuvor eine gesehen und bekam Angst. Schnell packte ich den kleinen Peter und wir rannten auf ein Stück Feld, auf dem kein Gras war und wir sehen konnten, ob die Schlange uns verfolgte. An diesem Tag gingen wir bis zum Abend nicht mehr auf die Weide und beobachteten die Kühe aus einer Entfernung von fünfzehn bis zwanzig Metern.
       An einem anderen Tag zog spätnachmittags ein Gewitter auf, und die Kühe wurden unruhig. Wir waren schon auf dem Heimweg und ich führte sie wie immer an den Stricken, als sich plötzlich eine Kuh losriss und mit aufgerichtetem Schwanz davonstürmte. Ich musste die anderen zwei Stricke loslassen und eilte nun hinter der Ausbrecherin her. Kurz danach rannten auch die anderen beiden los, allerdings in eine andere Richtung. Peter konnte sie natürlich nicht aufhalten und blieb vor Schreck stehen. Ich hatte eine Heidenangst, dass sie alle auf die Straße rennen würden. Der Bauer hätte mich wahrscheinlich verprügelt und so lief ich um mein Leben. Endlich kam die erste Kuh zum Stehen, der Straßengraben war ein zu großes Hindernis. Außer Atem und mit aller Vorsicht konnte ich dann schließlich die drei Bestien wieder an den Stricken packen und immer noch zitternd abliefern. Peter holte uns ein, sagte aber kein Wort. Tags darauf ging ich nicht mehr hin. Der Bauer kam auf unseren Hof, wurde aber rechtzeitig von Mama gesehen. Sie wusste sofort, dass er mich holen wollte. Sie rief mir ohne zu zögern zu:
    „Inge, schnell ins Bett!”
       Ich rannte los und sprang mit Schuhen ins Bett, deckte mich bis zum Hals zu, weil ich ja noch völlig angezogen war. Der Bauer war mittlerweile im Haus und ich hörte Mama sagen, ich sei krank. Das war mein Stichwort, ich wusste, was zu tun war. Die Tür wurde aufgestoßen und er stand am Fußende meines Bettes, um sich zu überzeugen. Vor lauter Angst bewegte ich mich nicht und Mamas Plan ging auf. Wortlos verließ er unser Haus. Seit diesem Erlebnis ging ich nie mehr und der Bauer kam auch nicht mehr zu uns. Wahrscheinlich fand er ein anderes Kind zum Kühe hüten.
       Hunger hatten wir immer noch. Etwas Essbares zu ergattern war eine tägliche Aufgabe und wurde schwieriger. Ich weiß noch, wie Siegfried Göbel die Ställe nach Schwalbennestern absuchte und seine Großmutter machte für uns Kinder Rührei aus Schwalbeneiern, wovon jeder einen großen Löffel abbekam.
       In Heinersdorf gab es bald eine polnische Schule, nachdem viele Menschen aus dem Osten Polens in Schlesien angesiedelt worden waren. In die wollte ich gehen, aber Mama ließ das nicht zu. Einige Tage darauf wurden wir ausgewiesen und traten unsere Reise ins Ungewisse an.

14. Der Zug und der Offizier
     
       Nur kurze Zeit vor dem Abtransport hatten wir Befehl bekommen, am nächsten Morgen nach Liegnitz zu gehen. Mama verbrachte die Nacht damit, Brot zu backen und unser Handgepäck in selbstgenähte Taschen zu verstauen. Den frischen Geruch des Brotes werde ich nie vergessen. Der Stoff für die Taschen kam von Stoffresten, die sich in einem verlassenen Haus befanden und wurde mit schnellen Stichen und dem zur Neige gehenden Nähgarn verarbeitet.
       Der Befehl lautete, Handgepäck höchstens 20 Kilogramm schwer und nur so viel, wie jeder tragen konnte. Geld, Schmuck oder andere Wertsachen durften nicht mitgenommen werden. Von den 20.000 Reichsmark, die Mama ständig am Körper getragen hatte, waren noch 18.000 übrig geblieben. Das Geld wurde von Mama in die doppelten Böden des Handgepäcks und in einem Kinderbuch, das ich tragen

Weitere Kostenlose Bücher