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Der 8. Februar (German Edition)

Der 8. Februar (German Edition)

Titel: Der 8. Februar (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeron North
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verlassen, was natürlich nicht erlaubt war. Die Flasche konnte so nicht geöffnet werden, und der Betrug würde nicht auffallen. Das sollte uns genügend Zeit verschaffen, in den Keller zu gehen, den Sack mit Dosen zu füllen und wieder am Posten vorbeizukommen. In dem Moment bewunderte ich Frau Gerschel, was für ein schlauer Plan! Wir ließen den Wagen an der Treppe zurück, gingen in den Keller und füllten den Sack. Dieses Mal sortierten wir die Dosen nicht nach dem Inhalt, so dass selbst der ungeliebte Grünkohl eingesackt wurde. Dann ging es wieder nach oben, und wir luden unsere Beute auf den Wagen. All das dauerte nur wenige Minuten und wir zogen den Wagen wieder in Richtung Tor. Als wir es erreichten, sahen wir gerade noch, wie der Soldat die Flasche öffnete und zu einem großzügigen Schluck ansetzte. Er hatte sie schneller aufgekriegt als wir dachten! Wie auf Kommando fingen wir zwei an zu rennen und es war keine Sekunde zu früh. Der Posten spuckte und fluchte, dann hörte ich die Flasche klirren. Genau in diesem Moment dachte ich, in den nächsten Sekunden würde mich eine Kugel treffen und das wäre es dann gewesen. Noch ein Schritt und noch einer. Frau Gerschel rannte neben mir, zwischen uns rumpelte der Wagen auf dem Kopfsteinpflaster. Sie keuchte laut:
    „Lauf, Inge, lauf um dein Leben!“
       Noch immer kein Schuss, jetzt nur nicht stolpern, dachte ich. Wir rannten weiter und bogen um die nächste Häuserecke. Bis hierhin ging alles gut und wir verlangsamten unsere Schritte, bis wir kurz stehenblieben und lauschten. Es blieb still und es schien, als ob er uns nicht verfolgte. Die schweren Stiefel hätten wir auf der Straße gehört. Wir gingen weiter und erholten uns von dem Schrecken. Unversehrt kamen wir mit unserer Ladung wieder in Heidau an und ich war mehr als glücklich. Heute würde ich sagen, es war ein unvergessliches Abenteuer, damals gehörten solche Erlebnisse zum Alltag.. Wir wollten überleben und mussten Risiken auf uns nehmen.
       Mama war in manchen Nächten mit anderen Frauen auf den Feldern, um Kartoffeln zu organisieren. Die Polen hatten sich die Felder angeeignet und niemand hatte irgendwelche Skrupel, Kartoffeln zu stehlen. Man durfte sich nur nicht erwischen lassen!
       Im Oktober wurde es kälter, der Winter bahnte sich an. Wir hatten keinen Vorrat an Petroleum und wollten nicht im Dunkeln sitzen. Eines Morgens machten sich Siegfried Göbel, Inge Hauke, Ilse Grosser und ich auf den Weg in Richtung Parchwitz. Ich trug eine graue Wollmütze und meine einzige Jacke. Die anderen Kinder waren ähnlich angezogen, gute Schuhe hatte keiner mehr. Wir liefen einen Umweg um Parchwitz und benutzten nur die Feldwege. Wir trafen keine Kontrollen, nicht einmal andere Menschen. Nach einer Stunde erkannten wir die Scheune, das Ziel unseres Weges und verlangsamten unser Tempo. Sie war von einem Zaun umgeben und wurde von russischen Soldaten bewacht. Es handelte sich um ein ehemaliges Lager der Wehrmacht und war mit vielen Fässern Motorenöl gefüllt. Jeder von uns hatte eine Blechkanne mitgebracht und gemeinsam schlichen wir uns hinter dem Gebüsch an den Zaun heran. Dort gingen wir in Deckung und begannen die Wachposten zu beobachten. Da keiner von uns eine Uhr hatte, zählten wir die Sekunden, die sie zu einem Rundgang brauchten und sahen auch gleichzeitig, dass das Schloss am Scheunentor aufgebrochen war. Die Wachposten gingen hintereinander her und wenn der eine hinter der Scheune verschwand, kam der andere wieder in Sichtweite. Das machte die ganze Sache schwierig für uns. Wir gingen geduckt am Zaun entlang und fanden tatsächlich ein Loch direkt über dem nassen Gras. Der richtige Moment wurde abgepasst und der zwölfjährige Siegfried ließ es sich nicht nehmen, als erster seine Kanne durchzuschieben und dann hinterherzukriechen. Der eine Posten kehrte uns den Rücken zu und noch zwei Schritte bevor er hinter der Scheune verschwand, lief Siegfried mutig los. Er erreichte das Tor und drückte sich durch den Spalt hinein. Da kam auch schon der zweite Posten um die Ecke. Siegfried füllte seine Kanne, immer noch kein Laut. Als die beiden Posten den nächsten Rundgang machten, schlich ich als nächste los, Siegfried kam mir entgegen und verschwand unter dem Zaun. Alles lief mit äußerster Anspannung und Vorsicht ab. Ich erreichte die Scheune und lehnte das große Tor wieder an. Wir hatten Glück, es war noch gut gefettet und machte kaum ein Geräusch. Sofort fand ich das

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