Der 8. Februar (German Edition)
eingeführt. Wir erfuhren davon zwei Tage zuvor in der Metzgerei, als eine Kundin sagte, sie hätte es im Radio gehört. Die Rundfunksender wurden von den Militärmächten betrieben, in unserem Falle von der englischen.
Es konnten nur 40,- Deutsche Mark „Kopfgeld“ gegen alte Reichsmark umgetauscht werden, wobei gleichzeitig Löhne, Gehälter und Mieten 1:1, Sparguthaben 1:10 umgewertet wurden. Da wir kein Land und keine Werte mehr besaßen, gehörten wir zu den großen Verlierern. Unser Bargeld war über Nacht von 18.000 Reichsmark auf 1800 Deutsche Mark gesunken, was wir aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht wussten. Wir hatten praktisch alles verloren. Es gab auch keine Preisbindung mehr. Ludwig Erhard setzte sich damit gegen den Willen der Westmächte durch. Er sagte: „Der einzige Bezugsschein ist jetzt die Deutsche Mark.“ Für die 18.000 hätten wir uns eine kleine Landwirtschaft kaufen können....
Wir staunten nicht schlecht, als wir die Schaufenster in Warburg mit zum Teil vorher gehorteten Waren gefüllt sahen. So viel Kleidung, die nicht im Krieg und danach erhältlich gewesen war. Wir konnten es nicht glauben! Wieviele Menschen hätte man damit retten können? Die ganzen Sachen lagen in den Lagern versteckt, und wir wären fast erfroren. Es schüttelte mich.
Der Schwarzmarkt löste sich sang- und klanglos auf, gleichzeitig wurde alles wesentlich teurer und die Arbeitslosigkeit ging sprunghaft nach oben. In der östlichen, sowjetischen Besatzungszone, in der sich meine Freundin Gisel mit ihrer Familie aufhielt, fand die Währungsreform am 23. Juni 1948 statt. Es gab noch kein neues Geld und so wurden die alten Reichsmark-Banknoten mit Coupons beklebt. Jeder Bürger erhielt 70 Mark. Der Lebensstandard verbesserte sich nicht, da die Zwangsbewirtschaftung beibehalten wurde. Wir hatten also zwei verschiedene Systeme in einem einzigen Land. Was sollte als nächstes kommen?
Eine detailierte Zusammenfassung der Währungsreform ist im Anhang dieses Buches zu finden. Der Leser mag selbst entscheiden, wie ungerecht wir behandelt wurden.
17. Die Familie und die Mohrrübe
Am Abend des dritten Oktobers 1948, an einem Sonntag, saßen Mama, Ursula und ich in unserem kleinen Zimmer auf den Betträndern. Elisabeths Bruder Bernhard war hereingekommen, um mir zu sagen, dass er mich beim nächsten Tanz auffordern möchte, mit Mamas Erlaubnis natürlich. Elisabeth dürfe auch kommen und Minderjährige in Begleitung Erwachsener dürften bis 22 Uhr bleiben. Es handelte sich um den Elisabeths-Tag, einem Kirchweihfest am 19. November. Ich war vierzehneinhalb und Mama gab ihre Zustimmung.
„Bis dahin habt ihr genug Zeit zu üben,” sagte er lachend. Natürlich war diese Einladung eine Ehre für mich, hatte ich doch schon bemerkt, dass Berhard in letzter Zeit immer morgens in der Waschküche war, wenn ich mich waschen wollte. Dann verließ er großzügig den Raum und machte mir Platz. Es gab im ganzen Haus kein Badezimmer, alle wuschen sich in der Waschküche an einem gemauerten Bassin, an dem auch Wasser für das Vieh geholt wurde. Samstags wurde der Brautopf mit Wasser gefüllt und geheizt. Dann nahmen wir die Zinkwanne vom Haken und es konnte nach Absprache nacheinander gebadet werden. Der Brautopf war ein Kessel, in dem auch die Wäsche gekocht wurde.
Endlich hatte Papa einen Platz im Heimtransport und erreichte Rimbeck genau an diesem Abend. Er fand das Haus und hörte uns im Zimmer lachen, kam näher und sah zum Fenster herein. Wir bemerkten ihn nicht. Er war zufrieden als er sah, dass es uns gut ging. Papa klopfte an die Haustür, Herr Laudage öffnete ihm und bat ihn herein. Nach einem Augenblick wurde die Tür zu unserem Zimmer geöffnet und es verschlug uns die Sprache. Dieses war der glücklichste Moment in meinem Leben: Papa war zurück! Er trug eine alte speckige Wattejacke, eine schmutzige Hose, Fußlappen und Holzgaloschen an den Füßen. Sein Gesicht war aufgedunsen, er hatte sehr kurze Haare und war kaum wiederzuerkennen. Bei seinem Abtransport war er vierzig Jahre jung und kräftig gewesen, jetzt mit dreiundvierzig sahen wir einen alten Mann, krank und zerlumpt. Trotz allem waren wir überglücklich, ihn wieder umarmen zu können. Dieses Gefühl war unbeschreiblich und wir wollten ihn gar nicht mehr loslassen. Alle hatten Tränen in den Augen und mein Herz schlug bis zum Hals. Er hatte es geschafft!
Ruth fehlte zu diesem Zeitpunkt, sie war mit Heinz und
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