Der 8. Februar (German Edition)
einige Tränen und schämte sich derer nicht.
Papa war ein sehr tapferer Mann. Er konzentrierte sich auf seine neue Situation in Rimbeck, nahm manchmal ein kleines Notizbuch heraus und schrieb etwas auf. Ich habe es nie gelesen, vielleicht waren es neue Ideen, die er verwirklichen wollte und musste. Wahrscheinlich half es ihm, nicht aufzugeben und weiterzumachen.
Seine ersten Schuhe bekam er von Vikar Weber, der daraufhin nur noch ein Paar für sich selbst besaß. Auf dem Foto für einen neuen Führerschein, den er später machte, trug Papa ausnahmslos geschenkte Kleidung. Wir hatten ein Sparbuch mit den jetzt DM 1800 angelegt und er konnte 800 abheben, um mit dem Neuaufbau zu beginnen. Der Rest des Geldes wurde erst im Laufe der folgenden zwei Jahre freigegeben.
Ruth hatte die Gastwirtschaft verlassen und arbeitete nun in einem keramischen Werk in Warburg, wo sie Krüge und Schüsseln bemalte, leider nicht lange, denn die Firma Eschke ging bald in Konkurs, wie auch viele andere Betriebe. Es war eine ganz schwierige Zeit. Der Krieg war vor drei Jahren zu Ende gegangen, aber es schien, dass er noch eine Weile auf wirtschaftlicher Ebene anhalten würde.
Die 39 Reichsmark, die Mama für uns Kinder erhalten hatte, wurden bei der Rentennachzahlung, die Papa im November 1948 bekam, sofort restlos einbehalten. Wir erhielten vom Staat nie etwas geschenkt. Frau Laudage war krank und Mama half ihr, wo sie nur konnte. Ihr Haushalt war ja nicht klein und sie hatte außer dem Vieh, dem Garten, einem kleinen Feld, das Haus zu versorgen, dazu die Wäsche ohne Waschmaschine. Unser kleines Zimmer machte ich manchmal sauber, um Mama zu entlasten.
Papa hatte bei seiner Rückkehr nach Deutschland einen Stapel Fragebogen vom Roten Kreuz erhalten, wobei einer hier aufgeführt wird.
Der Weg meiner Verschleppung in die Sowjetunion
Sammellager vor dem Abtransport: Beuthen, Oberschlesien, Zuchthaus
Verladebahnhof: Güterbahnhof
Abfahrt: 16. April 1945, 10 Uhr
Anzahl der Männer im Waggon: 42
Vermutliche Gesamtzahl: 1500
Ankunft in Kopesk: 20. Mai 1945
Nächste Stadt: Tscheljabinsk
Unterkunft: Holzbaracken
Arbeitsstelle: Kohlenschacht Kolchose
Mit mir kamen in dieses Lager: 2000 Zivilisten, 1000 Kriegsgefangene.
Der Weg meiner Gefangennahme bis zum Sammellager:
Ich wurde zusammen mit 2 Zivilpersonen und 8 Kriegsgefangenen am 2. März 1945 durch LKW abtransportiert. Liegnitz in Kellern vom 2. bis 30. 3. zusammen mit 4000 bis 5000 Gefangenen. Orte, die mein Transport berührte: Orel, Lemberg, Kiew, Charkow, Ki...?
Anzahl der Personen, die auf dem Transport verstorben sind: 500
Personen, die sich ebenfalls in meinem Transport befanden:
Altmann, Paul Ohlau, Schlesien tot
Reisner, Bruno Kotzenau, Schlesien tot
Kotz, Paul Liegnitz, Schlesien tot
Park Hotel
Rendschmidt Studienrat, Liegnitz tot
Konrad Steinmetzmeister tot
Auch Anita Pohl aus Heidau überlebte das Arbeitslager in Sibirien und kam nach Papa zu ihren Eltern nach Scherfede. Dort lernte sie einen Briten kennen, heiratete und zog mit ihm nach England.
An dieser Stelle möchte ich noch von einem anderen Schicksal berichten. Oberschlesien hatte einen Sonderstatus im Bezug auf die Vertreibung. Die dort lebenden Deutschen konnten wählen, ob sie bleiben oder ihr Zuhause verlassen und in den Westen ziehen wollten. Es gab natürlich einige Auflagen. Eine war, dass kein deutsch mehr gesprochen werden durfte und die Kinder in polnische Schulen gehen mussten. Die Familie Montag lebte dort in einem kleinen Dorf und der Vater Heinrich geriet auch in russische Gefangenschaft. Der Rest der Familie, die Mutter mit drei Kindern, blieben in dem Dorf auf ihrem Hof, weil die Mutter sagte:
„Wir müssen hier bleiben, wie soll uns euer Vater denn nach der Entlassung finden? Wir wollen auf ihn warten.“
1948 wurde Heinrich nach Deutschland entlassen. Oberschlesien gehörte nun zu Polen und befand sich hinter dem Eisernen Vorhang. Seine Frau war in der Zwischenzeit an einer Krankheit verstorben und die Kinder lebten in einem polnischen Waisenhaus. Heinrich bekam die Adresse durch das Rote Kreuz, doch die Einreise nach Polen war sehr problematisch und er hatte Angst, dass sie ihn dort festhalten könnten. Die Jahre vergingen, die älteste Tochter heiratete einen deutschen Mann in Polen und die beiden anderen Kinder blieben in dem Waisenhaus, denn sie waren noch zu jung zum Arbeiten. Endlich, im Jahre 1959 konnten sie
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