Der 8. Tag
was soll das?«, protestierte Sarah und entwand ihren Ellenbogen seinem Griff.
»Wir gehen in einen Sicherheitsbunker und sobald wir dort sind… «
»Sicherheitsbunker«, wiederholte sie ungläubig. »Und wie lange sollen wir in dieser Bleikiste zubringen, Walter?«
»Schalten Sie bitte die Kamera ab.«
»Es wird doch nichts in die Luft fliegen, Walter?« Roger war inzwischen genauso bleich wie Walter Chapman.
»Ich habe doch gesagt, dass es nur eine Vorsichtsmaßnahme ist.«
Sarah verschränkte die Arme. »In diesem Fall bleibe ich hier. Wir alle bleiben hier und tun, wozu wir hier sind.«
»Vielleicht hat Walter ja gute Gründe, Sarah«, gab Roger zu bedenken, wobei sich ein nörgelnder Tonfall in seine Stimme schlich.
»Soll er doch in den Bunker gehen. Ich bleibe hier.«
»Was ist, wenn ich auch gehen will? Was, wenn Joe oder Greg es wollen?«
Roger deutete beim Sprechen auf den Kameramann und den Toningenieur. Doch Sarahs Augen blieben auf ihn gerichtet. Sie sah etwas, was sie nicht erwartet hatte zu sehen, etwas, was sie überraschte und was sie gar nicht leiden konnte.
»Soweit es mich betrifft«, sagte sie immer noch ihre Augen auf Roger geheftet »könnt ihr machen, was ihr wollt. Ich kann mit der Kamera umgehen, ich komme auch mit dem Ton zurecht. Und ich glaube, dass ich auch den Produzenten spielen kann. Also?« Sie schaute zum Kameramann. »Joe?«
Er schüttelte den Kopf und sie blickte zum Toningenieur.
»Greg?«
Auch der schüttelte den Kopf. Sie wandte sich wieder Roger zu. »Sieht so aus, als ob es jetzt an dir liegt. Wir bleiben.«
»Nun ja, natürlich bleibe ich«, stammelte er. »Ich wollte nur sagen… «
Er hatte nicht bemerkt, dass Chapman jemandem ein Zeichen gegeben hatte, noch hatte er mitbekommen, dass jemand ein Telefon abgenommen und die Anweisung: »Sicherheitsbeamten sofort in den Kontrollraum« durchgegeben hatte. Auch hatte er nicht bemerkt, wie ein Mann und eine Frau, die den Kontrollraum etwas früher betreten hatten, versuchten die Haupttür mit ihren Ausweisen und ihren Codes, die aber nicht mehr funktionierten, zu öffnen.
Aber Chapman hatte es bemerkt. Er lief schnell hinüber und sprach mit den beiden an der Tür. Sarahs unerbittlicher Blick folgte ihm und sie beobachtete ein Hin und Her von wütenden Gesten und Worten, die nahe an der Panik waren. Sie gab Joe ein Zeichen das zu filmen. Er stemmte die Kamera auf die Schulter und begann zu filmen. Niemand beachtete ihn. Jeder in dem Raum schien sich über ein Messgerät oder eine Anzeige zu beugen und hoffte, dass darauf etwas erschiene, was die Anspannung lösen würde. Selbst die Telefone funktionierten nicht, wie man feststellte, als einige Leute alle durchprobiert hatten.
Chapman machte sich wieder auf den Weg zum Filmteam zurück, wobei er sich mit einer Hand den Schweiß von der Stirn wischte. Er hatte einen seltsam abwesenden Blick in den Augen. Sarah schaute kurz nach links um sich zu vergewissern, dass Greg mit dem Ton bereit war. Er war es.
»Was ist los, Walter?«, wollte sie wissen und bemerkte, dass sie sich zwingen musste ihre Stimme fest und ruhig klingen zu lassen.
Er brauchte ein paar Augenblicke, bis er die Frage erfasst hatte, und selbst dann antwortete er ihr nicht direkt, sondern sprach irgendwo in den Raum, so als ob er Selbstgespräche führte.
»Ich weiß es nicht«, meine Chapman gleichgültig. »Niemand scheint es zu wissen. Die Telefone sind ausgefallen und augenscheinlich ist jede wichtige Tür im Gebäude verschlossen. Niemand kann raus oder rein.«
78
TESSA SASS AUF einem Plastikstuhl neben den Schwingtüren mit dem Schriftzug »Notaufnahme«. Sie wusste nicht, ob der uniformierte Polizist, der ihr gegenüber an der Wand lehnte, sicherstellen sollte, dass sie nicht wegging, oder sie vor dem Mörder, den man immer noch nicht ergriffen hatte, beschützen sollte. Wahrscheinlich traf beides zu, doch es spielte keine Rolle. Ihre Gedanken waren ganz woanders.
Sie achtete nicht auf das Klappern von Schritten auf den harten Linoleumfliesen des Korridors, bis diese sich aus den allgemeinen Hintergrundgeräuschen eines nächtlichen Krankenhauses herausschälten und direkt vor ihr verstummten.
»Was ist passiert, Tessa?«
Es war Helen. Ihr Haar war ungekämmt, unter einem alten Parka trug sie Jeans und einen Pullover und sie erweckte den Eindruck, als hätte sie sich seit dem Moment, in dem sie aus ihrem Bett gestiegen war, und bis zu ihrem Eintreffen hier keine Zeit zum Atmen
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