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Der 8. Tag

Der 8. Tag

Titel: Der 8. Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
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BIST DU?
    Ihr schien sich der Magen umzudrehen. Sie gab einen Laut von sich und hatte einen bitteren Geschmack im Mund. Einen Moment lang glaubte sie ohnmächtig zu werden, doch stattdessen machte sie eine Bewegung nach vorn und riss das Stromkabel aus der Steckdose. Die Worte verschwanden.
    Sie bemerkte, dass sie noch da kniete, wo sie sich niedergelassen hatte um den Stecker zu erreichen. Sie hörte einen weichen Plumps, als er ihr aus der Hand fiel. Dann wieder Stille.
    Sie griff nach einem Stuhl um sich daran hochzuziehen. Ihr Körper erschien ihr schwer, die Glieder taub, eine Nachwirkung, so vermutete sie, von dem Adrenalinstoß, der nutzlos verpufft war. Sie musste einen klaren Kopf bekommen, klammer dich an etwas. Denke nach.
    Das Telefon neben dem Bett klingelte mit einer Unerbittlichkeit, die ihr auf die Nerven ging. Doch sie war über diesen Einbruch der Normalität in die schrecklichen und unvorstellbaren Ereignisse, die sich hier in diesem eintönigen Raum abgespielt hatten, erleichtert. Sie ging hinüber, hob ab, meldete sich mit »Ja?« und war dankbar eine Stimme zu hören. Egal, welche Stimme.
    Außer dieser Stimme. Es war keine menschliche Stimme. Es war die Art von Stimme wie bei der Zeitansage oder wenn man die Telefonauskunft anrief und eine Nummer mitgeteilt bekam. Eine Tonbandstimme, in kleine Splitter zerlegt, die je nach Bedarf zusammengestellt wurden. Und hier war sie so zusammengesetzt worden, dass sie die bekannten drei Worte tonlos in ihr Ohr sprach.
    »Wer bist du?«
    Ihr Aufschrei war wild und Ausdruck höchster Panik. Sie riss so heftig an dem Telefonkabel, dass die Dose zusammen mit einem Stück Verputz herausflog. Einen Augenblick später verdunkelten sich die Lampen in ihrem Zimmer auf die Hälfte der ehemaligen Helligkeit, so als ob es einen Kurzschluss gegeben hätte. Doch Tessa wusste, dass es keine technischen Ursachen hatte; es war das Ding da draußen, das ihr seine Macht zeigte.
    Ihr Blick glitt zu dem vorhanglosen Fenster und den tristen Beton- und Ziegelklötzen mit all ihren blinden Fenstern, auf die sie schaute. Unten lag eine fast leere, regennasse Straße, die von gelb schimmernden Straßenlaternen gesäumt war.
    Während sie auf die Lampen blickte, wurden auch diese dunkler, dann zusammen mit denen im Raum wieder heller, als ob nichts geschehen wäre.
    Ein Gruß? Eine Herausforderung? Eine Ankündigung? Tessa merkte, wie sie von Kopf bis Fuß zu zittern begann ohne etwas dagegen tun zu können. Das Grauen griff nach ihr, wie sie es noch nie zuvor erlebt hatte. Vielleicht, wenn sie tatsächlich an Bord der Maschine gewesen wäre, hätte sie im Angesicht ihres Todes dieselbe elementare Furcht empfunden, die jetzt aus Tiefen nach ihr griff, von denen sie bis jetzt keine Ahnung gehabt hatte. Sie kam von irgendwo jenseits der Zeiten und währte ewig. Ihr Körper zitterte weiter und sie war zu schwach es zu ändern, genauso wie ein Blatt, das auf den Fluten eines großen Stromes tanzte.
    Dann begriff sie, was das Zittern bedeutete. Es waren Krämpfe. Eine schreckliche Feuchtigkeit kroch an den Innenseiten ihrer Oberschenkel hinunter. Plötzlich wurde ihr mit einem Schlag klar, dass sie eine Blutung hatte.
    20
    SPÄTER ERZÄHLTE MAN ihr, dass sie es irgendwie geschafft hatte, eines der Telefone in ihrem Zimmer wieder in Gang zu setzen, und zwar an der Dose, die sie nicht zerstört hatte, und die Rezeption um Hilfe angerufen hatte. Sie konnte sich an nichts erinnern. Die nächsten paar Stunden waren wie mit groben Pinselstrichen in ihr Gedächtnis gemalt; eine Tragbahre, aufblitzende Lichter, eine Nadel in ihrem Arm, die weiße Decke eines Krankenhausganges, den sie mit großer Geschwindigkeit von Leuten entlanggeschoben wurde, die kein Englisch sprachen, die Infusionsflasche, die über ihrem Gesicht baumelte, und der Einstich einer weiteren Nadel in ihren Arm, den sie nicht sah.
    Als sie darum kämpfte, nicht das Bewusstsein zu verlieren, war ihr letzter Gedanke, dass nun doch der Tod kam, dem sie schon zweimal von der Schippe gesprungen war. Dann wurde alles dunkel um sie.
    Sie glaubte nicht an außerkörperliche Erfahrungen, also konnte es so etwas nicht sein. Sie glaubte an Träume, also war es das. Sie wusste nicht, was man ihr verabreicht hatte, aber ihr war klar, dass sie bewusstlos war. Also war es ein klarer Traum. Ihr durch das, was um sie herum passierte, angeregter Geist spielte für sie Theater. Sie schaute darauf hinab, aber sie schwebte nicht. Es war kein

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