Der 8. Tag
um ihr Bett standen, nicht von geschriebenen Aufzeichnungen sprachen.
Sie bezogen sich auf die Computersache. Alles, was diese Leute wissen mussten um sie nicht umzubringen, stand in der Computerdatenbank und die befragten sie genau in diesem Moment.
Und sie wusste, was dabei herauskommen würde.
Tessa war ganz sicher, dass der Computer ihr Todesurteil ausspucken würde. Und sie war machtlos dagegen. Man konnte sie nicht hören. Man konnte sie nicht sehen. Sie konnte die ganze Sache nur beobachten.
Vielleicht war sie sogar schon tot und blickte nur durch die Zeit zurück.
Vielleicht war es immer so, wenn man starb.
Helen war schon fast eingeschlafen, als das Telefon klingelte.
Clive, der ein Buch las, das er versprochen hatte für die nächste Literaturbeilage der Times zu rezensieren, schaute herüber, sah, dass es ihr Telefon war, und machte keine Anstalten abzunehmen. Aber er schielte besorgt und sofort hellwach über seine Brillengläser, als sie den Anruf beantwortete. Er wusste, dass sie keine Bereitschaft hatte, also musste es ein Notfall sein.
»Dr. Temple, wir haben vor vierzig Minuten miteinander telefoniert.« Es war eine weibliche Stimme mit Akzent, möglicherweise eine Deutsche.
»Haben wir?«, fragte Helen verwirrt. Die Frau, obwohl sie hervorragend Englisch sprach, bemerkte nicht die Betonung, die die Worte zu einer Frage werden ließen. Was ein glücklicher Umstand war, denn sie sprach einfach weiter und erklärte, warum sie anrief.
»Es tut mir Leid, aber die Auskunft, die ich Ihnen in unserem ersten Gespräch gab, war nicht zutreffend. Die Passagierliste ist nach unserem Gespräch auf den neuesten Stand gebracht worden… «
Unerklärlicherweise verlangsamte sich der Puls der Patientin immer mehr und der Blutdruck fiel weiter. Sie war dabei, in ein tiefes Koma zu fallen.
Es gab dafür eine Reihe von möglichen Erklärungen und nur eine konnte man ausschließen, denn das hätte in ihren Unterlagen gestanden. Doch in dem Ausdruck war nichts von Penizillin erwähnt gewesen.
Tessa beobachtete das alles. Sie schrie, doch niemand hörte sie, noch nicht einmal sie selbst. Und es gab keine Möglichkeit ein Zeichen zu geben oder jemanden zu berühren um sie zu warnen. Zum ersten Mal verspürte sie wirklichen Schmerz, aber es war der Schmerz der Angst und Verzweiflung, kein körperlicher Schmerz.
Sie merkte, wie sie anfing zu verblassen wie eine alte Fotografie. Bald würde sie dahin sein, nur noch Bruchstücke von Erinnerungen in den Köpfen anderer. Sie fragte sich, ob sie zurück in ihren Körper kommen würde, aber so lief es nicht.
Stattdessen spürte sie, wie sie unwiederbringlich von allem wegdriftete in eine schreckliche Isolation. Doch das machte ihr keine Angst. Die Angst war längst schon mit den anderen Gefühlen verschwunden. Alles, was zurückblieb, war ein kleiner Funken Bewusstsein.
Und auch der, so wurde ihr klar, verblasste wie eine ersterbende Kerzenflamme, so als ob es ihn nie gegeben hätte.
Und es gäbe keinen Hinweis auf ihn. Keine Spur blieb in Raum und Zeit zurück.
Was immer diese beiden Begriffe auch bedeuteten.
21
EINE JALOUSIE, HALB gegen die helle Sonne geschlossen, warf schmale Lichtstreifen über das Bett. Als sie erwachte, war ihr erster Gedanke, dass sie sich in einer Art Käfig befand.
Doch zumindest wusste sie, dass sie lebte. Sie fühlte die Schwere und ihr Körper schmerzte.
Etwas in dem Raum bewegte sich. Sie bemerkte nur eine Wellenbewegung in dem Muster aus Licht und Schatten auf der Wand, wie ein Zebra, das über eine Waldlichtung lief.
Doch es kam auf sie zu anstatt in einer Deckung zu verschwinden. Als die Wellen näher kamen, nahm es eine menschliche Gestalt an, dann spürte sie, wie sich jemand vorsichtig auf die Bettkante setzte und ein Gesicht schaute zärtlich und mit Anteilnahme auf sie herab.
»Helen…?«
»Wie fühlst du dich?«
»Nicht besonders.« Ihre Kehle war trocken und ihre Stimme rau.
»Trink das.« Helen hob Tessas Kopf vorsichtig vom Kissen und setzte ihr ein Glas an die Lippen. Sie konnte nicht sagen, ob die Flüssigkeit einen Geschmack hatte oder einfaches Wasser war. Aber sie tat ihrer Kehle gut.
»Wo sind wir?«, wollte sie wissen.
»In Berlin. In dem Krankenhaus, in das man dich vom Hotel aus eingeliefert hat.«
»Aber was machst du…?«
»Sssch. Sprich nicht so viel.«
»Aber wie…?«
»Sie haben dir Penizillin gegeben.«
»Ich weiß.«
Helen runzelte die Stirn. »Du weißt? Warum hast du dann
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