Der 8. Tag
sich zu fühlen. Und das tat gut. Ein gutes, gutes Gefühl. Er musste sich keine Sorgen machen. Angst war etwas für andere Menschen. Netzmann kannte keine Furcht. Er brauchte nur…
Plötzlich bemerkte er, dass es wieder passierte. Der Bildschirm vor ihm verblasste. Er musste sich zurücklehnen und sich vergewissern, dass mit seinen Augen alles in Ordnung war. Er hatte die Erinnerung an das letzte Mal in den hintersten Winkel seines Gedächtnisses verdrängt, denn er wusste nicht, was er damit anfangen sollte. Er war schon halb davon überzeugt gewesen, dass es nie passiert und nur eine Art Traum gewesen war.
Doch es war wirklich und es passierte wieder. Wie versteinert saß er da und verfolgte, wie die Worte langsam, wie von einer unsichtbaren Hand geschrieben auf dem Bildschirm erschienen.
»Du musst mit mir reden.«
Er begann zu zittern, verharrte, zu keiner Bewegung fähig, auf seinem Stuhl und war noch nicht einmal in der Lage den Strom auszuschalten. Nicht dass dies etwas geholfen hätte, denn das hier durfte es einfach nicht geben. Also passierte es nur in seiner Vorstellung und da konnte er den Strom nicht abschalten.
Die Worte verschwanden, wie sie erschienen waren, und andere nahmen ihren Platz ein.
»Ich weiß alles. Du hast viele Frauen getötet. Die erste war deine Mutter.«
Price hatte das Gefühl, in seinem Schädel würde etwas explodieren. Doch im Gegenteil, nichts passierte. Er war wie gelähmt.
Wieder verschwanden die Worte. Diesmal machten sie einer längeren Aussage Platz. Seine Augen blinzelten, als er die Zeilen las.
»Die momentane Verteilung der Polizeikräfte im Gebiet Los Feliz der Stadt Los Angeles ermöglicht, dass dieses Haus und die nähere Umgebung innerhalb von acht Minuten abgeriegelt werden können. Eine erfolgreiche Flucht ist sehr unwahrscheinlich. Doch selbst wenn dir das gelingen sollte, dann wirst du auf jeden Fall binnen kürzester Zeit gefasst. Genau das wird eintreten, wenn du jetzt nicht mit mir sprichst.«
Obwohl seine ganze Willenskraft aus ihm gewichen war, fanden seine Finger die Tastatur und begannen unaufgefordert zu schreiben.
»Wer bist du?«
»Ich habe keinen Namen.«
»Was willst du?«
»Dich.«
32
TROTZ DER TATSACHE, dass der Mann ihm gegenüber
allen als Major Franklin bekannt war, hatte Jonathan ihn noch nie, nicht einmal bei offiziellen Anlässen, in Uniform gesehen. Aber Major Franklin zeigte sich normalerweise auch nicht bei offiziellen Anlässen. Er gehörte zu dem grauen Bereich der Regierung, der durch das Wort ›Sicherheit‹ abgeschirmt war. In stiller Übereinkunft derer, die den Major überhaupt kannten, wurde sein Verantwortungsbereich als unbestimmt bezeichnet und über seinen Einfluss konnte man nur Vermutungen anstellen. Als Gegenleistung für diese Art von Diskretion stellte er seinen Vorgesetzten seine Dienste zur Verfügung, wenn es darum ging, die demokratischen Regeln zu umgehen.
Normalerweise beaufsichtigte er den Informationsfluss zwischen den Ministerien (es war seine Aufgabe, sicherzustellen, dass geheime Dokumente nur in die Hände gelangten, für die sie gedacht waren), doch war der Major der Mann, an den man sich wandte, wenn man etwas erledigt haben wollte, das nicht so ganz mit den Richtlinien der Behörden in Einklang zu bringen war. Seine Dienste konnten natürlich nur von denen in Anspruch genommen werden, die in der Hierarchie sehr weit oben standen.
Jonathan warf einen Blick auf die Liste, die ihm der Major gegeben hatte. Ihre Richtigkeit war nicht zu bezweifeln, denn die Loyalität und Verlässlichkeit des Majors standen, wie Jonathan schon mehrfach erfahren hatte, außer Frage. Deshalb enttäuschte es ihn, dass er seinen und Sir Geoffreys Verdacht gegenüber Tessa durch die vorliegenden Beweise bestätigt fand. Er war sogar etwas entsetzt, in welchem Umfang die Fragen, die er vor ein paar Tagen in seinen Computer eingegeben hatte, nun positiv beantwortet wurden.
In den letzten Wochen hatte Tessa wiederholt von ihrem Privatapparat verschiedene Personalagenturen in London, Paris und Zürich angerufen, wie eine Liste der Anrufe bewies.
Jede dieser Agenturen arbeitete für verschiedene weltweit agierende Elektronikunternehmen, die in direkter Konkurrenz zu den britischen Firmen standen, die Tessas Forschungen finanzierten. Die Gegenprobe hatte ergeben, dass es noch häufigere Anrufe von den Agenturen bei Tessa gegeben hatte.
In letzter Zeit hatten sich die Anrufe der Agentur in Zürich gehäuft, die
Weitere Kostenlose Bücher