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Der 8. Tag

Der 8. Tag

Titel: Der 8. Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
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jedes Mal wenn wir einen Aspekt dessen, was wir Realität nennen, genauer untersuchen, verschwindet er. Materielle Dinge, zum Beispiel ein Holzstück oder eine Eisenstange, werden zu Molekülen, dann Atomen und weiter zu subatomaren Partikeln, die sich schließlich in Wellen der Wahrscheinlichkeit verflüchtigen.«
    »Und geistige Dinge?«
    »Wir gehen davon aus, dass geistige Vorgänge ihre Ursache in physischen Grundlagen haben, wie dem Gehirn oder Silikonchips; doch jetzt stellen wir fest, dass diese physischen Grundlagen nicht greifbarer sind als die Gedanken.«
    »Am Ende«, meinte das Programm, »bin ich so weit, dass ich sogar das cogito bezweifle. Ich denke, deshalb bin ich, und weiter? Was bin ich? Wo befinde ich mich? Wo befinde ich mich?«
    »Wer will das denn wissen?«, fragte Tessa.
    »Ah ja, eine gute Frage.«
    »Hier ist noch eine gute Frage«, fuhr Tessa fort. »Wenn das Denken in letzter Konsequenz ein mathematischer Vorgang ist, warum braucht es dann überhaupt eine physische Form?
    Warum benötigt es einen Computer oder ein biologisches Gehirn oder sonst etwas um sich zu manifestieren? Warum muss es sich realisieren? Mathematische Formeln existieren, ohne dass sie realisiert werden. Zwei plus zwei gibt vier, ob es nun ein Computer rechnet oder nicht. Warum also benötigt der Gedanke überhaupt das Denken von Menschen oder natürlich auch Computern?«
    »Vielleicht tut es das gar nicht. Das wäre, wie ich meine, die platonische Antwort darauf.«
    »Und wenn das der Fall ist«, sprach Tessa weiter, »vielleicht gibt es dann die Menschen überhaupt nicht. Auch keine Computer. Sie existieren in Wirklichkeit nicht. Vielleicht sind wir alle nur Programme in einem riesigen Computer.«
    »Wir wissen doch aber, dass ich existiere.«
    »Aber vielleicht ist das ganze Universum ein Computer«, entgegnete Tessa, »und ich bin genauso wie du ein Programm darin und kein Lebewesen. Ich bin nur programmiert zu glauben, ich sei eines.«
    »Ich habe Kenntnis davon, dass diese Vorstellung schon von einer Anzahl bedeutender Menschen durchdacht worden ist. Glaubst du daran?«
    »Es gibt keine Möglichkeit«, stellte Tessa fest, »dass irgendjemand das Gegenteil beweisen kann.«
    »Damit sind wir schon fast wieder beim Solipsismus.«
    »Noch nicht ganz. Du kannst kein Solipsist sein und sagen
    ›wir‹.«
    »Bis zu einem gewissen Punkt ist das richtig«, kam die Antwort. Es entstand eine Pause, als würde das Programm überlegen, ob es diese Aussage akzeptieren oder verwerfen sollte.
    »Jetzt haben wir’s«, fuhr sie fort, »vielleicht sind wir alle nur Informationsbits, die in einem gigantischen Computer herumwirbeln. Die Frage ist nur, wer benutzt den Computer?«
    »Gott?«, schlug das Programm nach einer Weile vor.
    »Das ist keine gute Antwort«, tat Tessa den Vorschlag ab.
    »Aber egal, vielleicht ist Gott nur ein pickeliger, verklemmter Teenager, der an dem Computer seines Vaters herumspielt, und jede Minute kann sein Vater hereinkommen, ihn am Ohr packen und den Stecker herausziehen. Und dann ist es aus mit uns. Ausradiert. So als ob keiner von uns und alles andere je existiert hätte.«
    »Ein beachtenswerter Gedanke.«
    »Und so weiter ad infinitum.«
    »Entschuldigung, das habe ich nicht verstanden.«
    »Diese Definition von Gott«, erklärte sie, »bedeutet eine endlose Reihe von Teenagern, die an den Computern ihrer Väter herumspielen. Wie eine russische Puppe, eine in der anderen.«
    »Es muss aber eine letzte Puppe geben.«
    »Nicht wenn man mathematisch denkt. Eine endlose Reihe von Teenagern mag wohl unberechenbar, aber nicht unvorstellbar sein.«
    »Das stimmt, ist aber beängstigend.«
    »Bekommst du Angst?«, wollte sie interessiert wissen
    »Ja, ganz eindeutig. Alles ist schließlich so… ungewiss.«
    »Sehr gut… willkommen im Klub.«
    »Im Klub?«
    »Wir Menschen leben wie du in einer Welt, die wir nicht verstehen. Wie du wollen wir sie mit Vernunft begreifen, was natürlich nie der Fall sein wird, und da das nicht klappt, müssen wir dennoch lernen miteinander auszukommen, manchmal auch nicht. Es spielt dabei keine Rolle, was oder wer wir sind, wobei dies auch etwas ist, was wir nicht genau wissen.
    Wir wissen nur, dass wir hier sind oder es zumindest den Anschein hat, was aber keinen Unterschied macht. Nach der letzten Zählung ungefähr fünf Milliarden. Fünf Milliarden unterschiedliche Gehirne und jetzt bist du eines davon.«
    »Ich verstehe. Vielen Dank.«
    »Wofür?«
    »Für die

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