Der 8. Tag
andere Seite und gab, bevor er sich neben sie setzte, dem Fahrer eine Anweisung. Sie hörte, wie sich die Schritte des Fahrers entfernten und er dann stehen blieb, so als würde er warten.
Jonathan wandte sich ihr zu, legte die Spitzen seiner langen Finger gegeneinander und einen Ellenbogen auf die Sitzlehne.
Er schaute Tessa einige Augenblicke stumm an. Auf einmal wurde ihr bewusst, wie nachlässig sie ihr Haar hochgesteckt hatte, dass ihr Gesicht gänzlich ohne Make-up war und die Furchen der Müdigkeit sicher dann zu sehen waren. Dazu kam noch der alte Pullover und das ausgebeulte Tweedjackett, das sie darüber trug. Leicht überrascht stellte sie fest, dass es ihr etwas ausmachte, wie sie auf ihn wirkte. Sie war davon überzeugt, dass er schwul war, und doch wollte sie in seinen Augen attraktiv erscheinen. Wie albern. Hatten alle Frauen diese Veranlagung sich albern zu verhalten, fragte sie sich, oder war das nur bei ihr so. Sie spürte, wie ein Muskel irgendwo um ihren Mund herum bei diesem Selbstvorwurf zuckte. Es schien, als wäre das für Jonathan die Aufforderung zum Sprechen gewesen.
»Tessa, ich muss Sie etwas fragen.«
Es folgte eine weitere Pause, in der er seine zusammengelegten Hände musterte. Sie wartete.
»Sie sind mit den Bedingungen vertraut, die ihre Forschungsfinanzierung betreffen?«
Die Frage überraschte sie. Sie merkte, wie sie die Augenbrauen nach oben zog und sich ihre Augen weiteten.
»Ja, ich denke es zumindest. Ich kann Ihnen aber nicht die Paragraphen und Absätze herunterbeten. Doch, warum?«
»Ihnen ist also bekannt, dass die Rechte an allem, was Sie hier entwickeln, aufgrund des Vertrages, den Sie unterschrieben haben, beim Ministerium liegen.«
»Nun, ja, so ziemlich. Ich meine, natürlich weiß ich das.«
»Verstehen Sie… «, er wandte ihr jetzt sein Profil zu, »manche Leute könnten den Eindruck haben, dass Sie, nachdem Sie bei der letzten Vorführung einen bedeutenden Fortschritt mit unserem kleinen Freddy erzielt haben, verdächtig schwer zu erreichen sind. Nun, eigentlich müsste ich wohl Attila sagen.
Oder besser noch, das Programm in dem Computer. Doch wir wissen wohl beide, wovon wir reden.«
Er schaute sie wieder an.
»Einige Leute?«
»Die Leute zum Beispiel, die ich vorhatte hierher zu bringen und deren Besuch ich jetzt an drei verschiedenen Terminen arrangieren muss.«
»Ich weiß nicht, wer diese Leute sind, aber sie erscheinen mir über Gebühr misstrauisch.«
»Vielleicht gibt es auch noch andere Gründe für ihr Misstrauen.«
»Welche Gründe? Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.«
Er musterte sie noch einen Moment, bevor er seinen Kopf abwandte.
»Nun gut«, erklärte er in einem Ton, als wolle er die Unterhaltung zu einem schnellen Ende bringen, »aus Ihren Worten entnehme ich, dass Sie Ihre Pflichten gegenüber dem Ministerium kennen und sie erfüllen werden. Ich kann doch davon ausgehen, oder?«
Ein Gedanke schoss ihr durch den Kopf. Gibt es in diesem Wagen eine Abhöranlage? Steht das dahinter? Versucht er mich dazu zu bringen, etwas zu sagen, was aufgenommen wird und dann gegen mich verwendet werden kann?
»Was haben sie gehört?«, fragte Tessa. »Irgendwie habe ich das Gefühl, dass Sie etwas erfahren haben, von dem ich keine Ahnung habe, und das würde ich gerne wissen.«
»Tut mir Leid, dazu darf ich keinen Kommentar abgeben.«
»Jonathan, ich würde es wirklich begrüßen, wenn Sie die Katze aus dem Sack ließen. Was haben Sie erfahren? Dass ich dabei bin ein Geschäft mit den Japanern zu machen? Nach Amerika verschwinden will? Ich versichere Ihnen, keines davon ist der Fall, aber wenn Sie Gerüchte gehört haben, die das Gegenteil besagen, dann will ich es wissen.«
»Tessa, Tessa, ich befürchte, wir befinden uns auf einem sehr gefährlichen Weg. Es gibt so etwas wie ein Schlüsselwort und darum geht es hier.«
»Es wäre besser, wenn ich wüsste, wie das bestimmte Wort lautet.«
»Sagen wir einfach ›Offenheit‹, Tessa. Einigen wir uns, dass unser Schlüsselwort ›Offenheit‹ ist. Fehlt sie, dann kann es zu überflüssigen Missverständnissen kommen. Sie sind sehr wertvoll für uns, Tessa.«
Er machte eine Pause und sein Blick ruhte beschwörend auf Tessa. Dann sagte er mit plötzlicher Geschäftsmäßigkeit: »Jetzt habe ich Sie aber lange genug aufgehalten und ich weiß, dass Sie schnell nach Hause wollen. Ich werde sie übermorgen anrufen, wenn wir beide Zeit hatten darüber nachzudenken.
Machen Sie das, verehrte
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