Der 8. Tag
bereit aufzustehen und zu sagen: »Mein Name ist Tim Kelly und ich bin ein Alkoholiker.« Er konnte es sich noch nicht einmal selbst eingestehen, geschweige denn in einem Raum voll mit Leidensgenossen. Er würde damit fertig werden, wie es sein alter Herr getan hatte. Die Art, wie seine Schwierigkeiten, ohne dass er es bemerkt hatte, entstanden waren, brachte ihn zu der Überzeugung, dass, wenn er es noch eine oder zwei Wochen aushielt, sie wieder dahin verschwinden würden, wo sie hergekommen waren. Das war jetzt ein schlimmer Kampf, aber er brauchte keine fremde Hilfe.
Er parkte den Wagen bei einer Shoppingmall, fand ein Kinocenter und ging hinein um sich irgendeinen Film anzusehen, der als nächster laufen würde. Es war eine schreckliche Komödie gewesen, deren erste Hälfte von blöden Polizisten handelte und deren Rest aus einer actiongeladenen Autoverfolgungsjagd bestand.
Danach hatte er eine Pizza gegessen und war dann nach Hause ins Bett gegangen. Er hatte ein Schlafmittel genommen, war aber vom Klingeln des Telefons problemlos aufgewacht.
Nach den Pacific Palisades und dem Getty Museum bog er rechts ab und fuhr die Topanga Canyon Road hinauf. Als er den Tatort erreichte, brach die Sonne durch die Bäume und tauchte die ganze Gegend in ein warmes Licht. Für Tim war es der passende Kommentar zu dem ganzen Wahnsinn. Er stellte den Wagen ab, stieg aus und lief wie ein Roboter durch das Gewühl.
»Ihr Name ist Carrie Clarke«, teilte ihm Jack mit. »Gelegenheitsschauspielerin. Ihr berufliches Pseudonym war Vanessa Roman. Die Frau, mit der sie sich die Wohnung teilte, hat sie vor zwei Tagen als vermisst gemeldet. Sie sagte, sie wäre wegen einer Rolle unterwegs gewesen, doch ihr Agent wusste nichts davon. Er meinte, sie hätten sie so gut wie aus ihrer Kartei gestrichen.«
Sie war wie die anderen, bis auf den Umstand, dass sie einmal ihr eigenes Leben, ihre Familie und ihren eigenen Namen gehabt hatte. Doch jetzt spielte das keine Rolle mehr. Jetzt war sie eine von ihnen, ein geschundenes Stück Fleisch, das jemand bei Nacht hier am Hügel weggeworfen hatte.
Jack Fischl schüttelte das Streichholz aus, das er zuvor an seine Zigarette gehalten hatte, und steckte es wieder in seine Hosentasche, der Reflex eines Polizisten um nichts am Tatort zu hinterlassen. Er nahm einen tiefen Zug, stieß dann eine Rauchwolke aus und meinte danach zu Tim, ohne ihn anzusehen:
»Irgendwelche Vorschläge, Kumpel?«
Chuck Price verließ sein Haus an diesem Morgen etwas später als gewöhnlich. Er wollte abwarten, ob das namenlose Etwas, das durch seinen Computer mit ihm sprach, Recht mit seiner Voraussage hatte, dass ein Brief von der Sonderkommission der Polizei von Los Angeles und dem FBI kommen würde, in dem man ihm für seine Mitarbeit dankte und ihm mitteilte, dass er von der Liste der Verdächtigen gestrichen worden sei.
Der offizielle Briefumschlag war auf den ersten Blick zu erkennen. Price riss ihn mit fliegenden Fingern auf und spürte, wie sein Herz raste. Die Worte stimmten genau mit denen überein, die vor sechs Tagen auf seinem Monitor erschienen waren, als der Entwurf abgesegnet und in die Datenbank des FBI-Büros in Westwood übernommen worden war. Als die DNS-Analysen nach und nach mit negativem Ergebnis hereinkamen, wurde dieser Brief ausgedruckt und verschickt. Prices Brief war einer der letzten. Er wusste nicht, wie diese Manipulation bewerkstelligt worden war, und das namenlose Etwas weigerte sich auch Einzelheiten preiszugeben, doch als er über den Hügel nach Studio City fuhr, machte er sich das Vergnügen und dachte über mögliche Methoden nach. Im Prinzip und in der Theorie fielen ihm eine Menge Möglichkeiten ein, doch sie praktisch durchzuführen war etwas anderes. Nicht einmal er mit all seinen Fähigkeiten wäre der Aufgabe gewachsen gewesen. Es gab eine Grenze dessen, was man von außen manipulieren konnte, selbst für ein Genie.
Das namenlose Etwas war im System drinnen, unsichtbar, unauffindbar und allmächtig. Überall. Es war die Erscheinung, die Price lange vorausgesehen und auf die er gewartet hatte.
Das Universum war sein Spielzeug.
Etwas Unvorstellbares war erwacht.
42
JOSH HATTE VORGESCHLAGEN sich zum Abendessen in
dem chinesischen Restaurant in Pasadena zu treffen. Die Erleichterung, die er verspürte, als Tim ihm gegenübersaß, schien in Anbetracht eines weiteren Mordes nicht angebracht, doch er hatte im ersten Moment, als er von der Leiche im Topanga Canyon gehört hatte,
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