Der 8. Tag
vielleicht wissen«, begann sie, »arbeite ich an Robotern, Kontrollsystemen und solchen Sachen… «
Sie bemerkte, wie er in seine Jacketttasche griff und ein Taschenbuch hervorzog. Sie erkannte den Titel. Da sie dann erwähnt wurde, war ihr vor ein paar Monaten, als das Buch erschien, ein Exemplar zugeschickt worden.
»Ich habe über Sie nachgelesen«, erklärte er. »Mir ist klar geworden, dass ihre Arbeit der Geheimhaltung unterliegt und es Ihnen nicht recht wäre, wenn sie in die falschen Hände gerät. Doch ich hoffe, Sie sehen das FBI nicht als ›falsche Hände‹ an.«
»Natürlich nicht, doch gleichzeitig werden Sie auch verstehen«, sie schaute auf den Schreibtisch und bemerkte, wie ihre Finger an der Tischkante entlangfuhren, »werden Sie verstehen, dass ich nicht die Freiheit habe Ihnen einfach zu geben, was Sie wünschen. Ich muss erst von den Leuten, die meine Forschungen finanzieren, die Einwilligung einholen. Ich bin sicher, dass ich diese Erlaubnis erhalte, aber dennoch muss ich sie erst einholen.«
Er hob seine Hände, die Handflächen in ihre Richtung gedreht um ihr zu zeigen, dass ihm dies nichts ausmachte.
»Selbstverständlich. Und ich kann Ihnen wahrscheinlich dabei helfen, diese Einwilligung zu erhalten.«
»Wie lange bleiben Sie in Oxford?«, fragte sie und überging sein Angebot.
»So lange wie ich für die Angelegenheit brauche.«
»Ich muss ein paar Telefonate führen«, sagte sie. Tatsächlich aber würde eines mit Jonathan Syme genügen, das war ihr klar. Doch sie spielte auf Zeit. Sie brauchte nicht viel, nur so viel um zu erledigen, was zu erledigen war. »Stehen Sie unter Zeitdruck?«
»Es laufen da draußen Frauen herum, die sterben werden, wenn wir ihn nicht kriegen.«
Sie nickte und hoffte, dass ihm klar war, wie gut sie ihn verstand und dass sie ihn nicht nur willkürlich hinhielt. Dar
über hinaus hätte sie ihm gerne die wahren Gründe für die Verzögerung genannt. Doch jetzt war sie alleine schon so weit gekommen, dass dies der einzig mögliche Weg war die Sache anzupacken. Nur sie wusste um die Gefahr, die weit größer war, als sich der Mann ihr gegenüber jemals ausmalen konnte, und der sie sich stellen musste.
»Überlassen Sie es bitte mir«, erklärte sie. »Ich verspreche, dass ich alles versuchen werde.«
50
BIS ZU DIESEM Zeitpunkt war alles nach Plan verlaufen.
Dennoch spürte Chuck Price, wie sich sein Magen vor Aufregung verkrampfte, als er die Telefonnummer wählte, die ihm übermittelt worden war. Es war eine lange Nummer und soweit er es beurteilen konnte, gab es keinen Hinweis darin auf einen örtlichen oder nationalen Anschluss, der in irgendeinem der Telefonbücher, die er zu Rate gezogen hatte, verzeichnet wäre.
Nach einigen Augenblicken der Stille, es war nie ein Rufzeichen zu hören, nur eine Folge von Pfeif- und Pieptönen, so als ob ein Ferngespräch zustande käme, erklang die immer gleiche, ausdruckslose, mechanische Stimme aus der Leitung.
»Ich höre.«
Price gab eine kurze Zusammenfassung der Ereignisse. Alles lief genau nach dem Plan, den er befolgen musste, und das seit dem Tag, an dem er seinen Arbeitgeber von seiner plötzlichen Entscheidung den Urlaub zu nehmen, der ihm zustand, in Kenntnis gesetzt hatte. Wie erwartet, waren sie nicht glücklich darüber gewesen, doch sie hatten eingesehen, dass nichts daran zu ändern war. Sie würden in den nächsten drei Wochen nicht damit rechnen, etwas von ihm zu sehen oder zu hören, was danach kommen würde, das wusste Gott alleine.
»Nur Gott alleine.« Price lächelte müde, als ihm bewusst wurde, was er gerade gesagt hatte. Nur in Gedanken, nicht in den Telefonhörer, den er hielt. »Gott alleine.«
Nur verschwommen war ihm bewusst geworden, dass er, Charles Mortimer Price, von ihm auserwählt, sein Apostel auf Erden war. Von diesem Augenblick an bekam alles einen Sinn.
Sein ganzes Leben.
Als Kind war er bei den vertrottelten Alten, bei denen er aufgewachsen war, morgens, mittags und abends mit Kirchenliedern berieselt worden, doch sie hatten ihm nichts bedeutet.
Nach seinen Großeltern und dem Dreck, den sie sich im Fernsehen die ganze Zeit lang ansahen, saß Gott im Himmel und der Himmel war ›irgendwo da oben‹, während der Teufel in jedem von ihnen steckte, was bedeutete, zumindest soweit der junge Chuck Price es sich vorstellen konnte, dass dieser Ort, Erde genannt, in Wirklichkeit die Hölle war. Nachdem er zu diesem Schluss gekommen war, hatte für ihn nie die
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