Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
sie Schnecken, im Frühling grasete sie Salat, im Sommer nahm sie Vogelnester aus und im Herbst wußte sie sonst tausenderlei Schnabelweid zu kriegen; etliche trugen Holz zu verkaufen wie die Esel; und andere handelten auch mit etwas anderm. Solchergestalt nun meine Nahrung zu haben war nicht für mich, denn ich hatte schon ein Weib. Etliche Kerl ernährten sich mit Spielen, weil sie es besser als Spitzbuben konnten und ihren einfältigen Kameraden das Ihrige mit falschen Würfeln und Karten abzuzwacken wußten, solche Profession aber war mir ein Ekel. Andere arbeiteten auf der Schanz und sonsten wie die Bestien, aber hiezu war ich zu faul; etliche konnten und trieben etwa ein Handwerk, ich Tropf aber hatte keines gelernt; zwar wenn man einen Musikanten vonnöten gehabt hätte, so wär ich wohl bestanden, aber dasselbe Hungerland behalf sich nur mit Trommeln und Pfeifen, etliche schillerten für andere und kamen Tag und Nacht niemal von der Wacht, ich aber wollte liebet hungern, als meinen Leib so abmergeln; etliche brachten sich mit Parteigehen durch, mir aber wurde nicht einmal vor das Tor zu gehen vertraut; etliche konnten besser mausen als Katzen, ich aber haßte solche Hantierung wie die Pest. In Summa, wo ich mich nur hinkehrte, da konnte ich nichts ergreifen, das meinen Magen hätte stillen mögen. Und was mich am allermeisten verdroß, war dieses, daß ich mich noch dazu mußte foppen lassen, wenn die Bursch sagten: »Solltest du ein Doktor sein und kannst anders keine Kunst, als Hunger leiden?« Endlich zwang mich die Not, daß ich etlich schöne Karpfen aus dem Graben zu mir auf den Wall gaukelte, sobald es aber der Obrist inne wurde, mußte ich den Esel dafür reiten, und war mir meine Kunst ferner zu üben bei Hängen verboten. Zuletzt war anderer Unglück mein Glück, denn nachdem ich etliche Gelbsüchtige und ein paar Febrizitanten kurierte, die einen besondern Glauben an mir gehabt haben müssen, wurde mir erlaubt, vor die Festung zu gehen, meinem Vorwand nach, Wurzel und Kräuter zu meinen Arzneien zu sammlen, da richtet ich hingegen den Hasen mit Stricken, und hatte das Glück, daß ich die erste Nacht zween bekam, dieselben bracht ich dem Obristen und erhielt dadurch nicht allein einen Taler zur Verehrung, sondern auch Erlaubnis, daß ich hinaus dürfte gehen, den Hasen nachzustellen, wenn ich die Wacht nit hätte. Weil denn nun das Land ziemlich erödet und niemand war, der diese Tier auffing, zumal sie sich trefflich gemehret hatten, also kam das Wasser wieder auf meine Mühl, maßen es das Ansehen hatte, als ob es mit Hasen schneiete oder ich in meine Strick bannen könnte. Da die Offizier sahen, daß man mir trauen dürfte, wurde ich auch mit andern hinaus auf Partei gelassen, da fing ich nun mein soestisch Leben wieder an, außer daß ich keine Parteien führen und kommandieren dürfte wie hiebevor in Westfalen, denn es war vonnöten, zuvor Weg und Steg zu wissen und den Rheinstrom zu kennen.
Das 10. Kapitel
Simplicius überstehet ein unlustig Bad im Rhein
Noch ein paar Stücklein will ich erzählen, ehe ich sage, wie ich wieder von der Muskete erlöset worden; eins von großer Leib- und Lebensgefahr, daraus ich durch Gottes Gnad entronnen, das ander von der Seelengefahr, darinnen ich hartnäckiger Weis stecken blieb, denn ich will meine Untugenden so wenig verhehlen als meine Tugenden, damit nicht allein meine Histori ziemlich ganz sei, sondern der ohngewanderte Leser auch erfahre, was für seltsame Kauzen es in der Welt gibt.
Wie zu End des vorigen Kapitels gemeldet, so durfte ich auch mit andern auf Partei, so in Garnisonen nit jedem liederlichen Kunden, sondern rechtschaffenen Soldaten gegönnet wird: Also gingen nun unser neunzehn einsmals miteinander durch die Unter-Markgrafschaft hinauf, oberhalb Straßburg einem baslerischen Schiff aufzupassen, wobei heimlich etliche weimarische Offizierer und Güter sein sollten. Wir kriegten überhalb Ottenheim ein Fischernachen, uns damit überzusetzen und in ein Werder zu legen, so gar vorteilhaftig lag, die ankommenden Schiff ans Land zu zwingen, maßen zehen von uns durch den Fischer glücklich übergeführt wurden; als aber einer aus uns, der sonst wohl fahren konnte, die übrigen neune, darunter ich mich befand, auch holte, schlug der Nachen ohnversehens um, daß wir also urplötzlich miteinander im Rhein lagen. Ich sah mich nit viel nach den andern um, sondern gedachte auf mich selbst. Ob ich mich nun zwar aus allen Kräften spreizte und
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